rbb-multikulti und die folgen
: Das Paradoxon der ARD

Die Medienpolitik arbeitet sich am Expansionstrieb der Öffentlich-Rechtlichen ab. Doch während die Diskussion munter weitertobt, macht die ARD – siehe RBB Multikulti – Programme dicht. Und präsentiert sich als falsche Schlange: Große Sender ziehen die kleinen ab.

Von „über sieben Milliarden Euro Rundfunkgebühr“ ist die Rede, wenn sich Privatsender, Verleger und die zuständige Landespolitik in diesen Tagen mit ARD und ZDF beschäftigen; vor allem die RTLs und Burdas dieser Welt beklagen, die Öffentlich-Rechtlichen könnten dank ihrer garantierten Einnahmen „uferlos investieren“ (Hubert Burda jüngst im SZ-Interview). ARD und ZDF kontern in der Debatte gern mit dem Argument, die wahre Gefahr gehe von Riesen namens Google, YouTube und Telekom aus. Die würden sich ihrer Macht als künftige Player im Medienmarkt gerade erst richtig bewusst – und wenn sie erst durchstarteten, seien die Gebührenmillionen, die bei den einzelnen öffentlich-rechtlichen Sendern ankommen, gegen die Börsenmilliarden der Web2.0-Aktiengesellschaften Peanuts.

Was dabei aber vor allem die ARD verschweigt: In ihrem eigene Boot herrscht gerade Chaos. Durch Gebührenbefreiungen wegen Hartz IV fehlt vor allem den für die ostdeutschen Bundesländer sendenden Anstalten Geld. Und die interne Finanzverteilung in der ARD begünstigt traditionell die großen, reichen Sender. Sie geben bei teuren Gemeinschaftsinvestitionen für Sportrechte (Fußball-Bundesliga) oder seichte Hochglanzware (Degeto-Schmonzetten) den Ton vor – und die anderen Anstalten müssen anteilig mit einzahlen.

Den Mumm, sich radikal aus diesem falschen Spiel zurückzuziehen und die Zahlungen in den Gemeinschaftstopf einzustellen, hat auch nicht der RBB. Er macht lieber sein Radio Multikulti dicht und verzichtet auf „Polylux“ im Ersten, zwei bei aller Kritikwürdigkeit im Einzelnen durch und durch öffentlich-rechtliche Veranstaltungen. Und das jetzt, in der Legitimationskrise des gebührenfinanzierten Rundfunks. Dahinter steckt wohl das Kalkül, so noch einmal eine Debatte in der Politik wie intern in der ARD anzufachen.

Doch auch hier sitzen die reichen ARD-Anstalten, allen voran die reichste, weiterhin am längeren Hebel: Der Westdeutsche Rundfunk aus Köln gibt ja nicht etwa etwas von seinem Reichtum Richtung Berlin und Brandenburg ab. Er überlässt dem RBB gnädig sein Funkhaus Europa als mageren Ersatz für Multikulti. De facto bekommt die für NRW zuständige ARD-Anstalt also in der Hauptstadt eine Radiowelle geschenkt – und darf sich zugleich huldvoll als Retter aufspielen. Es wäre an der Zeit, dass die ARD sich trotz der Abwehrschlacht nach außen noch einmal sehr intensiv mit ihrem Innenleben beschäftigt. STEFFEN GRIMBERG