Ausländeramt ignoriert Senator

Willi Lemke hatte als Innensenator verfügt, dass eine suizidgefährdete Kurdin, die eins von drei Kindern bei einem Unfall verloren hat, nicht abgeschoben werden soll. Dem Ausländeramt ist’s egal

von Christian Jakob

Seit sieben Monaten weigert sich die Bremer Ausländerbehörde, der türkischen Kurdin Yesmin T. eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen – obwohl der Innensenator das Amt bereits im Oktober 2007 dazu angewiesen hatte. „Die Ausländerbehörde setzt eine eindeutige und verbindliche senatorische Entscheidung einfach nicht um“, kritisiert T.s Anwalt Sven Sommerfeldt.

Im Jahr 1996 war die damals 16-jährige T. nach Deutschland gekommen. Sie heiratete einen Türken, die beiden bekamen drei Kinder. Doch ihr heroinabhängiger Mann misshandelte sie, T. trennte sich von ihm. Durch die jahrelang drohende Abschiebung und den Tod eines ihrer Kinder bei einem Badeunfall im vergangenen Jahr habe sich ihr psychischer Zustand stetig verschlechtert, sagt Sommerfeldt. T., die mit ihren beiden Kindern in Gröpelingen lebt, ist seit langem in psychotherapeutischer Behandlung, ein Psychologe diagnostizierte bei ihr Suizidgefahr. Ein Gutachten des Gesundheitsamtes bestätigte die Diagnose für den Fall einer Abschiebung.

„Normalerweise muss in solchen Fällen eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen erteilt werden“, sagt Sommerfeld. Doch die Ausländerbehörde habe seine entsprechenden Anträge ignoriert. Sommerfeldt strengte mehrere erfolgreiche Untätigkeitsklagen gegen das Amt an, das T.s Antrag schließlich ablehnte. Nachdem der Anwalt gegen diese Entscheidung Widerspruch einlegte, gab der damalige Innensenator Willi Lemke (SPD) T. im Oktober 2007 Recht. „Die Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen ist zu erteilen“, wies er die Ausländerbehörde an.

Doch als T. daraufhin bei der Ausländerbehörde vorsprach, um das Papier endlich in Empfang zu nehmen, zwang man sie zunächst, sich bei der türkischen Botschaft einen Pass zu beschaffen – was vom Senator explizit nicht gefordert wurde. Als sie im Dezember mit dem Pass erneut vorsprach, sagte man ihr, man könne die Entscheidung des Senators „nicht nachvollziehen“ und werde das Dokument deshalb nicht ausstellen. Die Frau sei in dem Glauben nach Hause geschickt worden, sie würde nun abgeschoben, sagt Sommerfeldt. Die maßlos frustrierte T. erlitt einen Zusammenbruch und musste in der psychiatrischen Klinik des ZKH Ost behandelt werden.

Der Sprecher der Innenbehörde Rainer Gausepohl bestätigte, dass es in dem Fall „unterschiedliche Rechtsauffassungen“ zwischen dem Senator und dem Ausländeramt gegeben habe. Von einer Verweigerungshaltung könne jedoch keine Rede sein. Solche Differenzen seien „normal“ und kämen „immer mal wieder vor“. Um die Angelegenheit abschließend zu klären, habe die Ausländerbehörde das neue Gutachten über T.s Reisefähigkeit vom Gesundheitsamt an die Innenbehörde weitergeleitet. Die beiden Ämter würden nun gemeinsam eine rechtliche Bewertung vornehmen und über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entscheiden. „Dafür gibt es ja übergeordnete Behörden“, so Gausepohl.

Dass die Behörde sich derartig quer gestellt habe, erklärt sich Sommerfeldt so: „Mit der Aufenthaltserlaubnis sind einige Rechte, wie beispielsweise die Erlaubnis zu arbeiten, verbunden.“ Dies führe nach einiger Zeit dazu, dass ein Anspruch auf eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis entstehen könnte. „Und das will man offenbar unbedingt verhindern – zur Not auch gegen den eigenen Dienstherrn.“