Weder Sieger noch Verlierer

Wenn das Auszählen zu lange dauert: Welche Ergebnisse die Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein an diesem Sonntag erbracht haben, kann hier erst morgen Thema werden. Dass die taz nord dabei war, dürfen Sie uns aber trotzdem glauben

VON ESTHER GEISSLINGER

Draußen strahlen sie alle: Die GenossInnen der SPD, die mit roten Boxhandschuhen „Kieler Stärke“ demonstrieren, die Grünen, die Linken, die Freien DemokratInnen – und, an fast jedem Laternenpfahl, der Landesvater, Peter Harry Carstensen, CDU. Draußen, auf den Plakaten, ist alles gut. Drinnen, im Kieler Landeshaus wächst die Spannung. Nach und nach trudeln PolitikerInnen aller Fraktionen ein, bereit, die Ergebnisse zu kommentieren, die aus den 2.750 Wahlbezirken zwischen Flensburg und Norderstedt an die Landeswahlleiterin weitergeleitet werden. Bis zum taz-Redaktionsschluss lagen noch keine Endergebnisse vor, aber einzelne Wahlkreise waren bereits ausgezählt.

Demnach hat in Kiel die SPD 35 Prozent erzielt, die CDU 28 Prozent, die Linke wurden mit 14 Prozent drittstärkste Kraft, die NPD erhielt 2,2 Prozent. In Lübeck ist die CDU von über 50 auf unter 25 Prozent gefallen. In Flensburg hatten nach fast zwei Drittel aller ausgezählten Stimmbezirke die kleineren Parteien die großen überholt: Der SSW wird mit 23 Prozent stärkste Fraktion, dicht gefolgt von einer regionalen Wählergruppe mit 21 Prozent. Die CDU kam auf rund 19, die SPD auf 17 Prozent, die Linken lagen leicht vor den Grünen. Besonders schnell gezählt waren die Stimmen auf Hallig Gröde: Die CDU siegte mit sieben, die Wählergemeinschaft kam auf vier, die Grünen kamen auf zwei Stimmen – Wahlbeteiligung: 100 Prozent.

In den Kreisen gab es weniger Veränderung: In Rendsburg-Eckernförde schaffte die CDU mit über 50 Prozent wieder ein Traumergebnis, die SPD landete abgeschlagen bei 23 Prozent. FDP und Grünen standen bei rund 9 Prozent, SSW und Linke knapp unter fünf Prozent. Ähnlich in Dithmarschen, wo die CDU nach der Hälfte der gezählten Stimmen bei 46 Prozent landete, die SPD bei 24, FDP bei 9,3, die Linke auf sieben und die Grünen auf unter fünf Prozent.

Die Zahl der Wahlberechtigten war mit 2,33 Millionen so hoch wie nie seit 1949. Kurz vor Schluss der Wahllokale lag die Wahlbeteiligung indes bei nur 45,1 Prozent – und damit um fünf Prozentpunkte schlechter als zur selben Zeit bei den Wahlen im Jahr 2003, die auch schon einen Tiefpunkt markierten.

Gekämpft haben alle Parteien: Viel Bundesprominenz rückte an, unter anderem der SPD-Chef Kurt Beck, der mit seinem Kieler Landesvorsitzenden Ralf Stegner und dem Ex-Ministerpräsidenten Björn Engholm in Lübeck eine „Denkfabrik“ eröffnete. Der Bundesvorsitzende der Linken, Lothar Bisky, begrüßte auf Helgoland das 1.000. Parteimitglied in Schleswig-Holstein, und CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte voraus, die CDU könne erneut „mit Abstand die stärkte Partei“ werden.

Diese Einschätzung teilt kaum jemand – die Frage lautet vielmehr: Wie viel verlieren die Christdemokraten? Der Kieler Politikwissenschaftler Joachim Krause sagte der Deutschen Presseagentur: „Sollte sie deutlich unter 40 Prozent landen, wird sich die Partei ernsthaft die Frage stellen müssen, was sie falsch gemacht hat.“

Aber auch die SPD ist unter Druck: Sie muss die 29,3 Prozent von 2003 deutlich übertreffen. 35 Prozent wären nach Krauses Worten ein Erfolg. Ansonsten „sehe ich auch die Politik und die Person des Landesvorsitzenden in Frage gestellt“. In der Tat erklärte Landeschef Stegner noch vor wenigen Tagen: „Ich weiß, dass die Medien den Wahlausgang als Stimmungstest betrachten. Für uns ist es eine Kommunalwahl.“

Insgesamt spielen die Parteien auf der kommunalen Ebene eine schwindende Rolle: CDU und SPD traten nur in gut der Hälfte der 1.089 Gemeinden an, gleichzeitig gibt es gut 300 Dörfer, in denen Kreuzchen nur bei einer einzigen Wählergemeinschaft gemacht werden konnten.