WOCHENÜBERSICHT: LAUTSPRECHER
: Jörg Sundermeier sichtet die soziale Bewegung in der Stadt

Heute, am Frühmorgen, ist bereits Prozessbeobachtung angesagt – wer diese Kolumne also vor neun Uhr liest (tut’s wer?), hat noch die Gelegenheit, nach Moabit zu eilen, um im Landgericht Berlin die spannende Verhandlung gegen einen Demonstranten zu erleben, der einen Polizisten als „Kamera-Arschloch“ bezeichnet haben soll. Am Donnerstag dann gleich drei Gelegenheiten, die rote oder schwarze Fahne zumindest innerlich zu hissen: auf dem Heinrichplatz wird am Nachmittag ein Heer von Fahrrädern zu einer „Fahrraddemo“ aufbrechen, diese Demo nämlich ist zugleich Ortsbegeh- nee, -befahrung. Selbstredend geht es um das Projekt „Media Spree“, dass man nicht mag, weil es Freiräume plattmacht und die Kaffeepreise an der Köpenicker Straße erhöhen wird. Aber Obacht: Freiräume werden auch durch die gentrifizierende Feierszene, etwa in der Schlesischen Straße, plattgemacht. Es muss nicht immer das krawattentragende Investorenpack sein (16 Uhr). Etwas später dann wird in der Offenen Uni im vermutlich restlos freiraumlosen Mitte über Rudi Dutschke, der ja nun auch auf dem Stadtplan verzeichnet ist, gesprochen, und zwar über ihn als „Revolutionär ohne Revolution“. Sein „Versuch, Lenin auf die Füße zu stellen“ ist wie die meisten seiner Texte nicht mehr lieferbar, dafür versucht sein ehemaliger Weggefährte Bernd Rabehl aus Dutschke einen antiamerikanischen kommunistenfressenden Nationalsozialisten zu machen. Nun, in diesem passend zum Superduperjubeljahr 68 stattfindenden Seminar soll Rudi wieder zurückgeholt werden in die Linke. Mal schauen, ob’s geht. Nahezu zeitgleich und ebenfalls in Mitte, nämlich im SBZ Krähenfuß in der HU, wird über Berlusconi und Bertelsmann diskutiert, genauer über „Die Macht der Medienkonzerne in Europa“. Der freie Journalist Jörn Hagenloch klärt auf.

Kamera-Arschloch: Landgericht, Turmstr. 91, Mo., 9.45 Uhr

Fahrraddemo: Heinrichplatz, Do., 16 Uhr

Rudi Dutschke: Offene Uni, Philippstr. 13, Do., 18 Uhr

Macht der Medienkonzerne: HU, Unter den Linden 6, Do., 19 Uhr