Explosionsgefahr in der Nordsee

Das norwegische Erdölunternehmen Statoil evakuiert eine seiner Bohrinseln, die leckt. Nach drei Jahrzehnten schwächelt das Material der Altanlagen. Spezialschiffe versuchen nun, das Meer vom Ölteppich zu reinigen

STOCKHOLM taz ■ Zum zweiten Mal innerhalb eines halben Jahres ist die Nordsee knapp an einer folgenschweren Ölkatastrophe vorbeigeschlittert. Am Samstag drohte auf der norwegischen Bohrinsel „Statfjord A“ wegen eines Lecks an einem Öltank, der 2 Millionen Liter Rohöl enthielt, Explosionsgefahr.

Als „sehr ernst“ hatte die Betreiberfirma Statoil-Hydro selbst die Lage beurteilt und die umgehende Evakuierung der Beschäftigten angeordnet: 156 Mitarbeiter wurden ausgeflogen. Zwei Arbeiter seien austretendem Gas ausgesetzt gewesen, doch sei niemand ernsthaft verletzt worden, hieß es. Die Erdölproduktion sei sofort nach der Entdeckung des Lecks um 6.30 Uhr eingestellt worden.

Im Laufe des Tages bekam man die Situation unter Kontrolle: Größere Mengen Öl – nach Firmenangaben „1,2 Millionen Liter ölhaltiges Wasser“ – wurden in die Nordsee gepumpt. Dadurch minderte sich der Druck im Tank. Den entstandenen Ölteppich versucht man nun mit Spezialschiffen aufzusammeln.

Bereits im Dezember vergangenen Jahres hatte sich auf der gleichen Plattform ein schwerer Unfall ereignet. Beim Beladen eines Tankers war eine Leitung geplatzt. Bemerkt wurde das erst nach einer halben Stunde und nachdem 4,4 Millionen Liter Rohöl ins Meer geflossen waren. Günstige Witterungsverhältnisse und ein Wintersturm sorgten dafür, dass sich dieser Ölteppich auflöste, bevor er eine Küste erreichen konnte. Dies war der schwerwiegendste Ölunfall in der Nordsee seit 1977. Der Ölaustritt an der Plattform „Bravo“ konnte erst nach sechs Tagen unter Kontrolle gebracht werden.

„Es ist kein Zufall, dass zweimal in kurzer Zeit etwas auf Statfjord passierte“, sagt Frederic Hauge, Vorsitzender der Umweltschutzorganisation Bellona: „Bei Statoil-Hydro steckt man zu wenig Geld in die Sicherheit.“ Die Umweltschutzorganisation WWF Norwegen schloss sich dem an: „Die Anlagen der Firma lecken wie ein Sieb.“ Auch vonseiten der Ölarbeitergewerkschaft kam am Wochenende Kritik: Man befürchte, dass das von Statoil-Hydro aus Kostengründen betriebene wachsende Outsourcing von Arbeitsaufgaben die Qualität der Sicherheit an den Anlagen negativ beeinflusse.

Statoil-Hydro betreibt 80 Prozent der norwegischen Offshore-Ölförderung. Die Plattform Statfjord A ist mit 29 Jahren eine der ältesten noch in Betrieb befindlichen Förderanlagen in der Nordsee. Der Unfall im Dezember war auf eine altersschwache und unzureichend dimensionierte Leitung zurückzuführen.

Die Ursache des jetzigen Zwischenfalls ist noch unklar. Statoil-Hydro-Sprecher Ola Morten Aanestad wollte sich zur Kritik nicht äußern, solange die Untersuchungen, die jetzt zusammen mit der staatlichen Ölaufsichtsbehörde vorgenommen werden, nicht abgeschlossen sind.

REINHARD WOLFF