Becksteins Vize vergisst Nazis

Stewens (CSU): Vertreibung von Deutschen ist „größte ethnische Säuberung in Europa“

AUS MÜNCHEN MAX HÄGLER

Ein Auftritt vor einem Vertriebenenverband bringt Bayerns Vizeministerpräsidentin Christa Stewens (CSU) in Erklärungsnot. Anlass ihrer Rede war die Feier zum 60-jährigen Bestehen der Landsmannschaft Ostpreußen vor zwei Wochen. Als einziges Medium war das Schweizer Fernsehen (SF) mit Korrespondent Thomas Vogel dabei. Der filmte Bemerkenswertes: „Die Vertreibung der Deutschen vor sechs Jahrzehnten war die größte ethnische Säuberung, die es je gab in Europa“, sagte Stewens unter Applaus der Vertriebenen. „Und hier heilt die Zeit keine Wunden.“

Ab 1944 wurden Millionen Deutsche vertrieben, mindestens 600.000 starben. Laut SF-Reporter Vogel und dem Redemanuskript, das der taz vorliegt, wurden allerdings die Kriegstaten der Deutschen von Stewens mit keinem Wort erwähnt. Für den Migrationshistoriker Jan Musekamp von der Europa-Universität Viadrina ein ungewöhnliches Vorgehen: „Zusammenhanglos die Deutschen als Opfer sehen, das ist nicht Usus – alles hat eine Vorgeschichte.“ Stewens Vorgesetzter Günther Beckstein hatte das übrigens in einer Rede während der parallel stattfindenden Feier der Sudetendeutschen beherzigt und die Naziverbrechen angesprochen.

Für einige Teilnehmer des Pfingsttreffens dürfte der historisch verknappte Redebeitrag hingegen eine Genugtuung gewesen sein. Deutlich erkennbar waren eine Handvoll Neonazis in der Halle, wie SF-Reporter Vogel der taz berichtet: „Vom Habitus und vom Haarschnitt waren das ganz klar die jungen Rechten.“ Auch der Geschäftsführer der Landsmannschaft Ostpreußen, Sebastian Husen, bestätigt der taz, dass „einige wenige“ Teilnehmer „ein sehr, sehr rechtes Auftreten“ gehabt hätten. Wer das gewesen sei, wisse man nicht.

Doch hatte der Verband immer wieder Schwierigkeiten mit Revanchisten. „Anfang 2000 haben wir uns von der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen getrennt, weil die ganz klar von Rechten unterwandert war“, sagt Husen. Sein Verband kämpft bis heute vor Gericht gegen die im Verfassungsschutzbericht 2007 erwähnte rechtsradikale Jugendabspaltung, die sich inzwischen „Junge Landsmannschaft Ostdeutschland“ nennt.

Stewens ließ auf taz-Anfrage ausrichten, ihr seien die rechten Gestalten „nicht aufgefallen“. Einzig an den ungewöhnlichen Zuruf „Wir wollen unser Eigentum zurück!“ könne sie sich erinnern, sagte ihr Sprecher Bernhard Seidenath.