Das Buch ist zu

Die Dickblüter vom Astana-Radrennstall haben die Hierarchie im Peloton des Giro d’Italia zementiert

Es hat länger gedauert als gedacht. Doch schließlich ist das Erwartete eingetreten. Ein Mann vom Team Astana hat das rosa Trikot des Giro d’Italia erobert und wird es wohl auch nicht mehr hergeben. Die Frage, ob dieser Mann Alberto Contador heißt und aus Spanien kommt, oder Andreas Klöden mit Sitz in der Schweiz, hatte sich schon am ersten von drei Tagen in den Dolomiten entschieden. Den wilden Antritten der italienischen Cracks hatte Klöden nichts mehr entgegenzusetzen. Frustriert hatte er Mentschow und Contador, Simoni und Ricco am Alpe di Pampeago von dannen ziehen lassen müssen. Weil der Ulle-Kumpel es schlecht gelernt hat, Formkrisen mit mentaler Kraft zu begegnen, hatte er auch auf der Königsetappe den Anschluss verloren. Das Bergzeitfahren hoch zum Kronplatz bestritt er schließlich mit gebremster Kraft. Nicht einmal zum besten Deutschen hatte es da gereicht. Der gewiss nicht aufs Bergzeitfahren spezialisierte Jens Voigt hatte Klöden distanziert.

Bei Astana herrscht dennoch Jubelstimmung. Alberto Contador hat sich das rosa Trikot überstreifen können. Contador strauchelte gewissermaßen ins rosa Trikot, weil er Schwächen am Berg zeigte. Seinen Konkurrenten erging es aber kaum besser.

Selbst der vorsichtige Chef der Astana-Abordnung beim Giro, Sean Yates, muss zugeben: „Wir sind in einer sehr guten Position.“ Titelverteidiger Danilo di Luca macht sich zwar Mut, wenn er sagt: „Der Giro ist noch nicht zu Ende.“ Doch ob ausgerechnet di Luca Contador abhängen kann, ist fraglich. Nur aufgrund seiner enormen Willenskraft hatte der „Killer“ aus den Abruzzen sich überhaupt noch in Schlagdistanz halten können. Er selbst sieht sich weniger stark in Form als 2007, eher auf dem Niveau von 2005. Da wurde er Vierter des Giro.

Riccardo Ricco indes hat den Kampf noch nicht aufgegeben. Verbal zumindest nicht. „Ich werde attackieren“, versprach er seinen Fans. Ricco hofft auf die Bergetappen am Freitag und Samstag. Wegen seines dynamischen Antritts könnte er sich dort durchaus ein weiteres Mal in die Siegerliste eintragen.

Weil der Gesamtsieg mit großer Sicherheit ins Ausland geht, trösten sich die Italiener mit der Entdeckung des neuen Pantani. Der heißt passenderweise Sella (wie Sattel), kommt aus einem zweitklassigen Rennstall (CSF Navigare) und hat dreimal die Favoriten wie Radtouristen aussehen lassen. Zwei Dolomitenetappen hat er nach langem Ausreißversuch gewonnen. Und auch das Bergzeitfahren am Kronplatz hätte er entschieden, wenn sich nicht der blondgelockte Franco Pellizotti als bester Mountainbiker erwiesen und den Nobody auf dem letzten Schotterstück noch abgefangen hätte. „Drei Erfolge hintereinander, das wäre wohl doch ein bisschen viel“, sagte Pellizotti. Die Hierarchie im Peloton ist hergestellt. Astana gewinnt. Das rosa Buch kann man zuschlagen.

TOM MUSTROPH