heute in bremen
: „Das war keine Zuchtanstalt“

Die Lebensborn-Familiengeschichte von Heilwig Weger wird vorgestellt

taz: Frau Schmitz-Köster, was war für Heilwig Weger schlimmer: dass sie ein Lebensbornkind war oder ihr Stiefvater, der SS-General Oswald Pohl?

Dorothee Schmitz-Köster, Autorin: Sie selbst hat gesagt, das Schlimmste war, dass die Mutter ihr nicht sagte, wer ihr richtiger Vater war. Das ist eine klassische Lebensborn-Linie: Das passierte sehr vielen der Kinder.

War es ein Problem für Sie, dass das Thema Lebensborn so etwas faszinierendes hat?

Das war eins meiner Motive! Es gibt ja das Gerücht der Zuchtanstalt, wo sich stramme SS-Soldaten mit blonden Mädels vergnügt haben. Für die acht- bis zwölftausend Kinder, die in Lebensborn-Heimen geboren wurden, ist diese Vorstellung vom Lebensborn ein großes Problem, ein Stigma. Ich wollte wissen, ob da überhaupt etwas dran ist.

Und?

Wenn man unter Zuchtanstalt versteht, dass ein Stier zur Kuh geführt wird und diese befruchtet, dann ist das falsch. Die Lebensborn-Heime waren keine Edelbordelle, es gab keine gelenkten Zeugungen. Es gab aber eine Auslese, da wurden nur schwangere Frauen aufgenommen, die „arisch“ waren, gesund und „erbgesund“. Die Mehrheit der Frauen war nicht verheiratet, bekam ein uneheliches Kind. Das sollte später unter SS-Aufsicht aufgezogen werden.

Was können wir aus Lebensborn lernen?

Man kann sich anschauen, wie dort politisch gearbeitet wurde, wie die Notlage dieser Frauen instrumentalisiert wurde für eine Rassenpolitik. Etwas ähnliches, wenn auch nicht vergleichbares, machen derzeit die Neonazis, die Arbeitslosenberatung anbieten und sich um Hartz-IV-Verlierer kümmern. Die sagen dann auch: „Aber die haben mir doch geholfen“. Interview: Eiken Bruhn

Lesung „Kind L 364“: 19.30, Haus im Park, Klinikum Ost. Mit Heilwig Weger.