Jukebox

Besser raus mit Hölderlin: Komm! ins Offene, Freund!

Es gibt Dinge, die tut man lieber draußen. Fußballspielen zum Beispiel. Der Hallenkick hat sich nie so recht durchgesetzt, da macht der Sport lieber eine Winterpause, während andererseits die große Tradition des Feldhandballs brachliegt. 1966 wurden die Deutschen noch mal im letzten internationalen Turnier Weltmeister, die letzte deutsche Meisterschaft der Männer wurde im Jahr 1975 ausgespielt. Da mag die Sonne draußen noch so scheinen: Handball spielt man seither stur drinnen.

Dass die Pop- und Rockmusik in Fortsetzung der Tradition der Kur-, Platz- und Estradenkonzerte auch draußen stattzufinden hat, war lange gar nicht ausgemacht. Die Hippies waren es, klar, mit ihrer Lust an Natur und frischer Luft, verbunden mit einem gesunden Geschäftssinn, die ins Offene drängten, weil die Hallen für so Massenzusammenkünfte wie beim Monterey Pop Festival doch gar nicht mehr ausreichten. Eric Burdon sah in diesem Juni 1967 sogar eine neue Religion in die Welt kommen, down in Monterey. Aber damals glaubte man noch an Musik.

Freiluftfestivals kennen einen festen Kanon, der mit vielen Bierkästen, Schlammschlachten und weggeschwemmten Zelten zu tun hat. Klischees, natürlich. Wenn einer aber von so einem Festival kommt, erzählt er davon. Gab es nicht wenigstens ein weggeschwemmtes Zelt, erzählt er nichts. Zumindest nicht von der Musik, weil die bei Festivals gar nicht von so großer Bedeutung ist. Musikalische Erweckungserlebnisse sind hier eher kaum zu haben, und dass lieber Katastrophenberichte tradiert werden, hat in Deutschland ja durchaus seine Tradition:Das Love-and-Peace-Festival 1970 auf Fehmarn. Kennt man, weil Jimi Hendrix nach dem Auftritt dort keine Lust mehr auf weitere Konzerte hatte. Er starb kurz danach. Viele Bandausfälle, viele ums Geld geprellte Helfer. Während Ton Steine Scherben „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ spielten, fackelte man das Veranstalterzentrum ab. Scheeßel 1977: Eine Menge der angekündigten Bands reiste erst gar nicht an. Am Ende: Verletzte. Eine abgebrannte Bühne.

Mit derlei Erfahrungen in den Knochen wurde der Open-Air-Betrieb in Deutschland erst spät, seit Ende der 80er, zum flächendeckenden Vergnügen. Heute hockt eins hinter jedem Busch.

Auch in Berlin ist jetzt die Open-Air-Saison eröffnet: Heute Abend beginnt man beim Festival in der Zitadelle Spandau mit Jethro Tull, die Konzerte der Ärzte in der Wuhlheide sind natürlich ausverkauft. THOMAS MAUCH