Der Bezirk gegen seine Bürger

Was bringt eigentlich Mediaspree? Was würde es kosten, wenn die Bürger am 13. Juli gegen das Großprojekt stimmen? Und wie beurteilen Bezirkspolitiker die Forderungen der Initiative? Die taz gibt Antworten auf sechs wichtige Fragen

Was ist Mediaspree?

Mediaspree ist der Name für das neue Stadtquartier, das im Osten Berlins auf beiden Seiten der Spree entstehen soll. Die rund 180 Hektar liegen zum Teil brach oder werden – wie die Fläche hinter den Mauerresten der East Side Gallery – als Partystrände genutzt. Bereits gebaut sind etwa die O2-Arena und das Ver.di-Gebäude an der Schillingbrücke. Viele weitere Gebäude sind schon fest geplant, ebenso wie eine neue Brücke zwischen dem Wrangelkiez und der O2-Arena. Für andere Flächen hat sich noch kein Investor gefunden. Laut einer Schätzung sollen 2,6 Milliarden Euro investiert werden, in den Bürogebäuden sollen einmal 40.000 Menschen arbeiten – gesicherte Zahlen gibt es aber nicht.

Über was können die Friedrichshainer und Kreuzberger am 13. Juli abstimmen?

Die Initiative „Mediaspree versenken“ befürchtet, dass durch das Großprojekt die Mieten im Kiez steigen und die Brücke neuen Verkehr bringt. Daher soll erstens zwischen Spree und den Neubauten eine 50 Meter breite Grünfläche für die Bürger bleiben. Außerdem sollen keine neuen Hochhäuser entstehen. Drittens soll die neue Brücke für Autos gesperrt bleiben.

Kann der Bezirk diese Forderungen umsetzen?

Die Grundstücke entlang der Spree gehören nicht dem Bezirk, sondern einzelnen Investoren. Um einen 50 Meter breiten öffentlichen Spreepark anzulegen, müsste der Bezirk die Grundstücke kaufen. Um die Hochhäuser zu verhindern, müsste der Bezirk den Eigentümern Schadensersatz zahlen. Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) geht von insgesamt 160 Millionen Euro aus, die Initiatoren des Begehrens haben einmal 50 Millionen Euro ausgerechnet. Zum Vergleich: Friedrichshain-Kreuzberg kann in seinem Jahreshaushalt über rund 30 Millionen Euro frei verfügen.

Was sagt die Bezirkspolitik?

Die Grünen mit ihrem Bezirksbürgermeister lehnen die Forderungen ab, genauso wie die Linke, FDP, CDU und die WASG. Sie argumentieren, dass der Bezirk finanziell ruiniert wäre, wenn er den Forderungen nachkommen würde. Auf Jahre hinweg müsste der Bezirk etwa bei Jugendfreizeiteinrichtungen, Büchereien oder den Hilfen für sozial Schwache sparen.

Was sagt die SPD im Bezirk?

Die Partei hat sich über die Frage zerstritten: Die Fachleute der Fraktion lehnen die Forderungen ab. Die Parteispitze hat sich jedoch den Forderungen der Initiative in weiten Teilen angeschlossen. Das kritisiert der SPD-Bezirksabgeordnete Frank Lewitz: „Wir haben jahrelang die Planungen unterstützt, da können wir nicht auf einmal eine Kehrtwendung um 180 Grad machen machen.“ SPD-Senatorin Ingeborg Junge-Reyer sagte zu dem Streit im Abgeordnetenhaus: „Ich unterstütze das Bezirksamt bei der Weiterentwicklung der Planungen. Die Haltung politischer Parteien vor Ort bewerte ich nicht.“

Ist das Ergebnis der Abstimmung bindend?

Die Abstimmung hat Erfolg, wenn 15 Prozent der Bezirksbürger zur Urne gehen und die Mehrheit für die Forderungen der Initiative stimmt. Es ist aber umstritten, ob sich der Bezirk an das Ergebnis halten muss. Denn die Bürger dürfen laut Gesetz nicht über alle Fragen per Abstimmung bindend entscheiden – für das Baurecht gilt eine Ausnahme. Bürgermeister Schulz meint, dies sei hier der Fall. Der Bürgerentscheidexperte Michael Efler vom Verein „Mehr Demokratie“ glaubt, zumindest ein Teil der Forderungen sei bindend – allerdings sei die Rechtslage in Berlin noch nicht gerichtlich geklärt. Es gibt noch eine andere Möglichkeit: Der Senat könnte die Planungen an sich ziehen – dann ist der Bezirk raus und auch der Bürgerentscheid gilt nicht mehr. SEBASTIAN HEISER