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: Ein Busunglück

Als ich mittags in den Bus einstieg, war ich nicht der einzige. Zehn, zwölf Leute drängten sich mit mir in das schon volle Gefährt. „Sie da hinten“, erscholl plötzlich die Stimme des Busfahrers durch den Wagen, „Zeigen Sie mal ihre Karte.“ Wer zum Teufel soll „Sie da hinten“ sein, fragten wir uns alle – und sahen dann, dass sich eine junge Frau bereits auf den Weg gemacht hatte. Vorn angekommen holte sie ihren Fahrschein heraus. Der Fahrer, ganz in Führermanier, blickte kurz darauf und stieß einen Kehllaut heraus. Die Frau würdigte er keines Blickes. Sonst hätte er gesehen, wie sich ihr rundes, von schwarzen Haaren glatt umrahmtes Gesicht ins Rötliche verfärbte, trotz seines dunkel-bronzefarbenen Teints.

Rot war auch ich, als ich an der Uni ausstieg – aus Wut über den Fahrer und aus Scham und Ärger, dass mir nicht rechtzeitig das Richtige eingefallen ist: dass man nach vorne hätte mitgehen und sagen sollen „Hier, mein Fahrschein, den müssen Sie auch noch kontrollieren“. Und wer weiß: Andere der Eingestiegenen wären gefolgt. Eine Menschentraube hätte sich um den Fahrer gebildet, mit Fahrscheinen vor seinem Gesicht herumwedelnd. Auch die früher Eingestiegenen hätten sich angeschlossen, und wieder andere, statistische Durchschnittsdeutsche: eher alt als jung, eher blass als dunkel die Haut, eher geschmacklos oder mit Sinn fürs Geld statt für Farbe und Form die Kleidung, diese Deutschen wären aufgestanden mit den Worten: „Wir fahren schwarz - aber nicht mit Ihnen“. Ja und der Busfahrer: Der hätte es nie wieder gewagt, einen Anders-Deutschen auch nur scheel anzusehen. MAXIMILIAN PROBST