„Man sammelt für die Wand“

Robert Ketterer, 39, leitet Auktionshäuser in Hamburg und München. Ein Gespräch über teure Frauenportraits, verschüttete Seitenwege der Kunstgeschichte, die neue Lust an Farben und was man für 500 Euro in seinen Häusern so alles kaufen kann

Von MAXIMILIAN PROBST

taz: Herr Ketterer, Sie leiten ein Auktionshaus in München und eins in Hamburg. Stimmt das: In München kauft man die Almwiese in Öl, in Hamburg das Seestück?

Robert Ketterer: Nein, die regionalen Unterschiede sind eigentlich gering, obwohl natürlich norddeutsche Künstler wie Horst Janssen auch bevorzugt in Hamburg gehen.

Erzielen sie dort auch bessere Preise?

Nein, in Hamburg ist nur das Angebot viel größer. Da haben viele einen Janssen zu Hause hängen und müssen sich aus irgendeinem Grund von ihm trennen. Bei raren Werken gehen dann die Preise immer in die Höhe, egal wo die Auktion stattfindet.

Man liest gerade viel von aberwitzigen Preisen, die Versteigerungen erzielen.

Ja, der Boom kommt auch uns sehr zugute. 2007 lag der Auktionserlös um mehr als 30 Prozent höher als im Vorjahr, obwohl wir in beiden Jahren ungefähr die gleiche Anzahl von Werken zur Versteigerung gebracht haben.

Unter den fünf Werken, die 2007 die höchsten Erlöse erzielten, sind vier Bildnisse von Frauen oder Mädchen. Nur ein Zufall?

Frauen gehen immer besser. Das Beispiel Nadja: ein kleines Nolde-Gemälde, das bei uns für 2,5 Millionen Euro wegging. Im selben Jahr haben wir ein dreimal so großes Ölbild von Nolde versteigert, einen Mann mit Hut und weißem Rauschebart. Es kam für 400.000 Euro unter den Hammer. Aber das war schon immer so. Neu dagegen ist, dass das Figurative wieder sehr stark ist.

Wie, das Dekorative?

Nein, das Figurative, aber Sie haben richtig daneben gehört: das Dekorative auch. Wenn das Bild noch in knalligen Farben und von einem international bekannten Künstler gemalt ist, haben Sie das, was alle Rekorde schlägt. Klingt kindisch, ist aber so.

Vor nicht allzu langer Zeit, wollten viele das Schlichte, Einfache haben.

Das ändert sich so schnell wie die Mode, wie die Röcke der Frauen, mal kürzer, mal länger und wieder kürzer. Momentan ist alles bunt und quietschig, allerdings nicht mehr ganz so, wie noch vor zwei Jahren: Wer da über eine Messe lief, musste schon eine Sonnenbrille tragen, so grell blendete die Kunst. Ende der 80er Jahre standen dagegen Beuys, Fluxus oder Informel hoch im Kurs, kohlrabenschwarz sah es in den Ausstellungs- und Auktionssälen aus. Jetzt will man wieder etwas Schönes.

Das Sofabild?

Ja, man sammelt für die Wand. Ich höre zum Beispiel immer wieder: „Ich weiß gar nicht, wo ich das Bild noch hinhängen soll.“ Das war zu meines Vaters Zeiten anders, da wurden die Graphiken, Zeichnungen und Aquarelle in Schubläden gesammelt.

Heute will man eben zeigen, was man hat.

Das gilt auch für viele Sammler aus dem Ausland, für Russen, Chinesen oder Inder, die sehr westlich eingestellt sind. Mit den Bildern können sie zeigen, dass sie dazugehören. Zum Westen. Und wenn sie dafür ein bestimmtes Bild haben wollen, dann kann sie nichts aufhalten. So kommen auch die Wahnsinnspreise zustande.

Macht sich der Boom auch bei Künstlern aus der zweiten oder dritten Reihe bemerkbar?

Ein wenig ja. Wir versuchen zum Beispiel, den heute wenig bekannten expressiven Realismus aus den 50er und 60er Jahren zu fördern. Und gut verkauft haben wir auch den Seitenweg der deutschen Avantgarde.

Wen meinen Sie damit?

Oskar Fischer zum Beispiel, oder andere, die unbekannt blieben, weil sie nicht gut vermarktet worden oder früh verstorben sind, im Krieg, im Konzentrationslager. Oder deren Ateliers zerbombt wurden und deren Werk zu großen Teilen verbrannte. Diese Künstler haben aber wahnsinnig gut gemalt und können es mit jedem der bekannten Expressionisten aufnehmen. Wir versuchen jetzt, sie mit Katalogpublikationen wieder bekannter zu machen – und damit zugleich neue Märkte zu generieren.

Braucht man die, wenn die alten so gut laufen?

Ja, denn das frühe 20. Jahrhundert ist bald ausgeschöpft. Immer seltener kommt gute Qualität aus diesen Jahren auf den Markt. Es ist ja alles knapp, was Wert hat, so wie das Öl, und irgendwann wird es schöne Arbeiten dieser Epoche nicht mehr zu kaufen geben.

Werden die nicht immer wieder in den Markt eingespeist?

Ein Sammler kauft und verkauft: Er kauft das Tollste, und stößt das Mindere wieder ab. Natürlich gibt es manchmal den Fall, dass nach einer Erbschaft ein Werk auf den Markt kommt, oder nach einer Scheidung. Die wirklich guten Sachen gehen aber in private Sammlungen, die nie wieder verkauft werden. Das sind Sammler am Werk, die in den nächsten zehn, zwanzig Jahren ihre eigenen Museen eröffnen.

Und Schnäppchen am Kunstmarkt, die gibt es wohl gar nicht mehr?

Doch. Wir machen zwar immer Werbung mit den Bildern, die Millionen gekostet haben, hauptsächlich bewegen sich unsere Objekte aber zwischen 500 und 20.000 Euro.

Was bekommt man so für 500 Euro?

Eine fantastische Janssen-Radierung, handsigniert. Auch eine Immendorf-Graphik. Eigentlich bekommen Sie von fast allen Künstlern der 50er bis 80er Jahre noch großartige Druckgraphiken zu kleinsten Preisen.