Ausländerfeinde rufen an die Urnen

Morgen stimmen die Schweizer über die Abschaffung rechtsstaatlicher Prinzipien bei der Einbürgerung ab

GENF taz ■ Soll über die Einbürgerung von AusländerInnen in der Schweiz künftig wieder anonym an der Urne entschieden werden können sowie ohne Begründung und Berufungsmöglichkeit für abgelehnte Personen? Über diese Frage stimmen die EidgenossInnen am Sonntag in einem Referendum ab.

Betrieben wird die sogenannte „Volksinitiative für demokratische Einbürgerungen“ von der rechtspopulistischen „Schweizer Volkspartei“ (SVP) unter Führung des Ende letzten Jahres abgewählten Justizministers Christoph Blocher. Die SVP – stärkste Partei im Berner Bundesparlament – übernahm den Vorschlag für das Referendum von der einstmals von Blocher geleiteten „Aktion für eine unabhängige Schweiz“ (AunS), einem Sammelbecken extrem rechter, nationalistischer SchweizerInnen. Darüber hinaus wird die Initiative nur noch von der „Eidgenössischen Demokratischen Union“ (EDU) unterstützt, der kleinsten Parlamentspartei.

Alle anderen Parteien – Sozialdemokraten, Christliche Volkspartei, Liberale und Grüne – lehnen die Initiative ebenso ab wie die Regierung, die 26 Kantonsregierungen sowie Gewerkschaften und Kirchen. Auch Blochers Nachfolgerin als Justizministerin, die SVP-Politikerin Eveline Widmer-Schlumpf, bezog entschieden Stellung gegen das Referendum. Dennoch wird nicht ausgeschlossen, dass die Initiative dank der massiven, im Wesentlichen vom mehrfachen Milliardär Blocher finanzierten Kampagne der SVP bei der Abstimmung am Sonntag eine Mehrheit erhält.

Die Initiative verlangt, dass künftig jede Ortsgemeinde in der Schweiz frei festlegen kann, wie über Einbürgerungsanträge von AusländerInnen entschieden wird: durch den gewählten Gemeinderat, die Gemeindeverwaltung, eine eigens geschaffene Einbürgerungskommission, eine öffentliche BürgerInnenversammlung oder eben durch anonyme Abstimmung an der Urne. Zudem soll die Entscheidung grundsätzlich endgültig sein, ohne dass abgelehnte Personen ein Recht auf Berufung oder Überprüfung durch eine andere Instanz hätten.

Die Initiative ist eine Reaktion auf ein Urteil des obersten Schweizer Bundesgerichts in Lausanne vom Juli 2003. Unter Berufung auf das Diskriminierungs- und Willkürverbot in der eidgenössischen Verfassung hatte das Gericht Urnenabstimmungen über Einbürgerungen für verfassungswidrig erklärt und zudem festgelegt, dass negative Entscheide begründet werden müssen und die Betroffenen dagegen Beschwerde einlegen können. Vor allem mit dem Erhalt dieser beiden rechtsstaatlichen Prinzipien begründen die Gegner der Initiative ihre Ablehnung. Vor dem Urteil von 2003 hatte es bei Urnenabstimmungen in einigen Deutschschweizer Gemeinden ganz offensichtlich willkürliche Ablehnungsentscheide gegeben, vor allem gegen AusländerInnen aus bestimmten Herkunftsländern wie der Türkei oder dem ehemaligen Jugoslawien.

Die SVP führt ihre Kampagne in gewohnt ausländerfeindlicher und rassistischer Manier– auf ihrem Plakat greifen dunkle Hände gierig nach dem Schweizer Pass – und mit den nachweislich falschen Behauptungen, eine Einbürgerung in der Schweiz sei viel zu einfach und die Einbürgerungsquote wie der Anteil der Kriminellen unter den Eingebürgerten seien viel zu hoch. Tatsächlich kann ein Ausländer frühestens nach 12 Jahren legalem Aufenthalt in der Schweiz überhaupt erst einen Einbürgerungsantrag stellen – nirgendwo sonst gibt es eine so lange Frist.

Bei der Einbürgerungsquote liegt die Schweiz mit 2,5 Prozent der ansässigen AusländerInnen im europäischen Vergleich im unteren Mittelfeld. Und Kriminalitätstatistiken, die zwischen eingebürgerten und eingeborenen SchweizerInnen unterscheiden, existieren nicht.ANDREAS ZUMACH