Osterweiterung auf dem Court Central

Spielerinnen aus Osteuropa dominieren die French Open. Eine neue Ordnung hat Einzug gehalten im Damentennis

PARIS taz ■ Am Schluss hatte Petra Cetkovska nicht mehr allzu viel Spaß bei ihrem Auftritt auf dem Court Central. Nicht mal mehr halbherzig streckte sie sich nach dem letzten Ball; sie wusste längst, dass es auf diesen einen nicht mehr ankommen würde. Eine Sekunde später stand es fest, das böse Resultat: nullsechs, nullsechs. Das Publikum auf den bestenfalls zur Hälfte gefüllten Rängen raffte sich zu einem kleinen Beifall auf, teils zur Belohnung für die Siegerin Ana Ivanovic, teils zum Trost für Petra Cetkovska.

Auch bei der nächsten Partie war das große Stadion mit seinen 14.845 Sitzen noch ziemlich leer; die Meisterschaften der ehemaligen sozialistischen Brudervölker gingen weiter mit der Begegnung der Serbin Jelena Jankovic mit der besten Spielerin Polens, Agnieszka Radwanska. Zumindest wurde es ein etwas spannenderes Spiel.

Dass die Russinnen seit Jahren im Frauentennis Akzente setzen, ist keine Neuigkeit mehr. Aber mittlerweile lässt die Osterweiterung kaum noch Raum für den Rest der Welt. Im Achtelfinale der French Open 2008 standen fünf Spielerinnen aus Russland, je eine aus Weißrussland, Estland, Polen und Slowenien, je zwei aus Serbien und Tschechien. Die übrigen drei Plätze gingen an Spanien, Italien und die Schweiz. Für die USA und alle anderen blieb nach dem frühen Abschied der Williams-Schwestern so viel übrig wie für Petra Cetkovska gegen Ana Ivanovic: rien.

Prinzipiell sollte es egal sein, aus welchem Land jemand stammt, solange sie oder er erfolgreich oder attraktiv Tennis spielt. Aber die immer massiver werdende Dominanz des Ostens tut dem Frauentennis nicht gut. Das betrifft weniger die Spitze, in der verschiedene Charaktere und Spielweisen deutlicher zum Tragen kommen. Viel unterschiedlicher zum Beispiel als die beiden Serbinnen Ivanovic und Jankovic – die eine geprägt von ihrer Lehrzeit in der Schweiz, die andere vom Aufenthalt in den USA – können zwei Top-Spielerinnen aus demselben Land kaum sein. Aber in den übrigen Abteilungen der Weltrangliste hat sich eine Uniformität breitgemacht, die das weltweite Interesse an diesem Sport nicht fördert, weder ideell noch finanziell. Was man natürlich den Athleten, die jetzt auf dem Weg nach vorn sind, nicht vorwerfen kann; sie nutzten ihre Chance im Rahmen einer immer gleichförmiger werdenden Welt, weiter nichts.

Bei keinem der vier Grand-Slam-Turniere zeigt sich die neue Ordnung so deutlich wie im Sandkasten von Paris. Weil die meisten Amerikaner oder auch Australier, die früher zu den dominierenden Nationen im Welttennis gehörten, nach wie vor wenig Wert auf das Spiel auf diesem Boden legen, sind die French Open auf dem besten Weg, zu Europameisterschaften degradiert zu werden. Dass Venus und Serena Williams vor sechs Jahren in Paris tatsächlich im Finale gegeneinander um den Titel spielten, kommt einem heute wie eine Fata Morgana vor.

Und selbst das Männerturnier ist diesmal fast eine kontinentale Konkurrenz. Frankreich freut sich über fünf Kandidaten im Achtelfinale, so viele wie seit 1971 nicht mehr, gefolgt vom spanischen Quartett um Titelverteidiger Rafael Nadal. Den Rest Europas vertreten Serbien, Kroatien, Lettland, Tschechien und selbstredend die Schweiz. Den Beitrag aus Übersee liefern Chile in Gestalt von Fernando Gonzalez und die USA durch Robby Ginepri. Da Gonzalez und Ginepri im Achtelfinale sinnigerweise gegeneinander spielen werden, wird der interkontinentale Beitrag zum Turnier bald nur noch aus einem Kandidaten bestehen.

Und der Beitrag der Franzosen, die sich ein wenig wundern, dass sie trotz der Absagen von Richard Gasquet und Jo-Wilfried Tsonga so erfolgreich sind? Roger Federer, zuletzt eindrucksvoll beim Sieg gegen Mario Ancic, wird sich der Sache persönlich annehmen, Montag im Spiel gegen Julien Benneteau. Er sagt: „Ich werde versuchen, diesen einen zu stoppen, die anderen dürfen ihren Weg weitergehen.“

DORIS HENKEL