SPD will Y-Trasse

Seit der Landtagswahl sind auch die Sozialdemokraten für eine neue Bahntrasse zwischen Hannover, Bremen und Hamburg. In der Lüneburger Heide sammelt sich nun erneut der Widerstand der Bürger

von Kai Schöneberg

„Der Bürger ist ja sowas von uninteressant für die Politiker“, sagt Ute Müller. Vor gut zehn Jahren hatte sie eine von drei Bürgerinitiativen gegen die Y-Trasse gegründet, nun muss die Frau aus Stellichte, einem kleinen Ort bei Walsrode, ihre 230 Mitglieder erneut gegen das Mammut-Schienenprojekt mobilisieren. Mit Entsetzen nehmen Anwohner in der Lüneburger Heide zur Kenntnis, dass das 2004 mangels Geld eingefrorene Projekt wieder an Fahrt gewinnt: Die Zugstrecke soll zwischen Hannover, Hamburg und Bremen den Güter- und Personenfernverkehr entlasten.

Die Kosten haben sich inzwischen je nach Experten auf 1,8 bis zu vier Milliarden Euro gesteigert. Der Nutzen: Gering, wie mehrere Gutachten belegt haben. Danach hätte auf der vor allem für ICEs gebauten Strecke der Güterverkehr weiter das Nachsehen. Dennoch ist das Schienenprojekt, das auf der Landkarte der Form eines Ypsilon ähnelt, wieder als „vordringlich“ im Bundesverkehrswegeplan eingestuft worden. Die betroffenen Nord-Länder sind dafür, 2015 könnten erste Züge rollen.

Auch die Niedersachsen-SPD ist inzwischen für die Y-Trasse. Hatten die Sozialdemokraten in ihrem Programm für die Landtagswahl im Januar noch dafür plädiert, vor der neuen Bahnstrecke genieße der Ausbau der Nadelöhre an den „überlasteten Knotenpunkten Bremen, Hamburg und Oldenburg“ Priorität, setzte Fraktionschef Wolfgang Jüttner am Dienstag voll auf Neubau. Ohne die Y-Trasse könnten die rasant wachsenden Containermengen nicht von den norddeutschen Häfen Richtung Süden transportiert werden. „Wir kriegen einen absoluten Stau“, betonte Jüttner und forderte, dass die Landesregierung fehlende Planungsmittel in Höhe von 25 Millionen Euro selbst finanzieren solle. SPD-Abgeordnete aus der Region hatten sich wegen des Schwenks schon Kritik anhören müssen. Für sie gilt wohl auch Jüttners Kommentar zu den Bürgerprotesten: „Bei solchen Verkehrsprojekten kriegen sie immer Ärger vor Ort.“

Über „rausgeschmissenes Geld“ ärgert sich Michael Frömming vom Verkehrsclub Deutschland (VCD). Für ihn löst die Y-Trasse nicht die Probleme des wachsenden Containerumschlags, „sondern bindet enorme Investitionsmittel, die den Seehäfen bei anderen Infrastruktur-Maßnahmen fehlen“. Laut Deutscher Bahn AG brauchen die deutschen Seehäfen im Jahr 2015 Kapazitäten für 400 Güterzüge täglich zusätzlich. Auf der Y-Trasse wäre Platz für 120 Züge, auf der dann weniger befahrenen Strecke über Lüneburg und Uelzen könnten zusätzlich 140 Züge fahren: Ein „Gau auf Schienen“, sagen Verkehrsexperten, da der Engpass trotz Milliardeninvestitionen und Verschandelung der Landschaft bestehen bleibt.

Frömming plädiert statt für die Y-Trasse für die Ertüchtigung bestehender Trassen von Privatbahnen, so die Strecke Stade – Bremervörde – Rotenburg für Güter aus Hamburg und die Trasse Bremerhaven – Bremervörde – Rotenburg für Bremer Container.

Für Ute Müller von der Bürgerinitiative beginnt das Streiten erneut. In einem Punkt hat sie sogar die gleiche Meinung wie Wolfgang Jüttner von der SPD: „Nun versprechen sie außerdem einen ICE-Haltepunkt bei Soltau – das ist doch Träumerei“.