Rot-Grün – weniger Demokratie

SPD, CDU und Grüne votierten gestern einhellig für die Wiedereinführung der Fünf-Prozent-Hürde bei den Kommunalwahlen in Bremerhaven – und beschließen zugleich weitere rechtliche Prüfungen

Von Jan Zier

Nein, sagt SPD-Mann Thomas Ehmke, seine Partei habe sich die Entscheidung „nicht leicht gemacht“, lange, und auch „ernsthaft“ geprüft. Ja, ergänzt Matthias Güldner, der grüne Fraktionschef, die rot-grüne Koalition habe „schon sehr lange diskutiert“, ob die Fünf-Prozent-Hürde bei den Kommunalwahlen in Bremerhaven nun wiedereingeführt werden solle. Am Ende war das Ergebnis der gestrigen Abstimmung im Parlament eindeutig: Eine übergroße Koalition aus CDU, SPD und Grünen war ausnahmslos dafür, FDP, Linke und der Ex-DVU-Mann Siegfried Tittmann stimmten dagegen.

Die Entscheidung über den Dringlichkeitsantrag von Rot-Grün fiel in namentlicher Abstimmung mit 67 gegen 12 Stimmen. Gleichwohl ist das Gesetz damit noch nicht endgültig beschlossen – es wird zunächst im Wahlrechtsausschuss weiter diskutiert. Dort finde eine „offene Prüfung“ statt, versicherte Güldner gestern. Doch wenn die kommunale Sperrklausel rechtlich vertretbar sei, dann werde rot-grün sie wiedereinführen. Sie war erst im Dezember 2006 abgeschafft worden, als Ergebnis eines – von den damals oppositionellen Grünen mitgetragenen – Volksbegehrens für eine umfassende Demokratisierung des Bremer Wahlrechts. Jetzt sagen die Grünen, sie hätten ihrer früheren Position nur um den Preis des Koalitionsbruches treu bleiben können. Die SPD habe ihr „die Pistole auf die Brust gesetzt“. Die hingegen beharrt, ähnlich wie die CDU, vor allem darauf, dass sie „nicht still, leise und heimlich“ agiere. Sondern lediglich ihre stets vertretene Position durchsetze.

An der Zusammensetzung der aktuellen Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung ändert die Fünf-Prozent-Hürde nichts: Alle sieben dort vertretenen Gruppierungen haben sie überschritten. Gleichwohl vertrat Paul Bödeker (CDU) die Ansicht, dass „klare Mehrheiten“ vonnöten seien und „die bewährte Fünf-Prozent-Klausel zur Regierungsfähigkeit dazu gehört“. Die Seestadt wird nach wie vor von einer großen Koalition regiert. SPD und CDU in Bremerhaven haben dafür gesorgt, dass die rot-grüne Landesregierung ihrem vehementen Wunsch nach einer Sperrklausel entspricht.

In den Flächenstaaten Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz, Saarland und Thüringen wird sie auf kommunaler Ebene gerade abgeschafft, in Bayern etwa gar nicht erst eingeführt. Allerdings wird dort – anders als in Bremerhaven – auch der Bürgermeister direkt gewählt. Und genau deswegen, sagt die SPD, sei die „Differenzierung“ der Wählerstimmen „verfassungsmäßig gerechtfertigt“. Auch wenn „unbestritten“ sei, dass die Sperrklausel die Stimmrechtsgleichheit verletze.

„Wir sind vertragstreu“, begründete der Grüne Hermann Kuhn die geschlossene Zustimmung seiner Fraktion. Einst hatte er selbst im Parlament die Abschaffung der Sperrklausel gefordert. Die FDP hielt den Grünen deshalb vor, „vollkommen unglaubwürdig“ zu sein. Die Linke sprach gar von einem „traurigen Tag für die Demokratie“.