Kino satt in Ostfriesland

In dieser Woche findet das Filmfest Emden / Norderney statt - zum 19. Mal

Sonst passiert so etwas nur bei den großen Festivals in Cannes, Berlin oder Venedig, aber im letzten Jahr waren es einmal die Festivalbesucher in Emden, die als Erste im Lande einen späteren Oscargewinner bewundern durften. Der Film „Once“ wurde in diesem Frühjahr mit dem Preis für den besten Filmsong prämiert, und ebenjenes Lied, das ja auch den Mittelpunkt des ganzen Films bildet, wurde bei der Abschlussgala live von den beiden Hauptdarstellern gesungen. Wieder einmal hatten die Festivalorganisatoren ihr gutes Händchen bei der Filmauswahl bewiesen, aber dieses hat bei diesem Filmfest ja schon Tradition. Anders als andere Filmfestivals in Norddeutschland stehen hier fast ausschließlich die Filme im Mittelpunkt. Es gibt also keine coolen Partys und keine hoch prominenten Ehrengäste, bei denen dann Wetten darauf abgeschlossen werden, ob sie denn wirklich kommen. Das Filmfest in Emden / Norderney wird nicht umsonst immer noch von der örtliche Volkshochschule organisiert, und so gehören auch die harten Stühle des VHS-Forums und die winzige Leinwand des Verzehrkinos Apollo Theater zu den Merkmalen dieses, sagen wir mal, rustikalen Filmfestes.

So auch der Bernhard-Wicki-Preis und der DGB-Filmpreis, um die 20 Spielfilme in den Wettbewerb treten. Insgesamt werden 52 Langfilme aus 22 Ländern präsentiert, wobei wie immer ein Schwerpunkt bei den Filmen von den britischen Inseln liegt. Auch diesmal kann man wieder einen großen Teil des neuen Jahrgangs von britischen und irischen Filmen sehen. Die herausragenden Produktionen wie etwa „Happy-Go-Lucky“ von Mike Leigh fischen sich vorher natürlich die A-Festivals heraus, aber bisher konnte man sich in jedem Jahr darauf verlassen, hier ein oder zwei wirkliche Entdeckungen zu machen, die es dann später oft gar nicht in die deutschen Kinos schaffen. Diesmal könnte dies „Battle For Haditha“ sein, in dem Nick Broomfield ein Massaker von US-Soldaten an irakischen Zivilisten rekonstruiert. Auch der neue Ken Loach „It’s a Free World“ über die Praktiken von Personalvermittlungsbüros wird gezeigt, und mit „Bank Job“, der auf einem legendären Bankraub im London der frühen 70er Jahre beruht, präsentiert sich auch das sehr vitale Genrekino Englands. Ein Special ist der Schauspielerin Emma Thompson gewidmet. Ein Schwerpunkt, der sich eher unbeabsichtigt bei der Programmplanung herauskristallisierte, ist das Genre Science Fiction. In fast allen Reihen gibt es Filme, in denen sich die Regisseure Gedanken darüber machen, wie die Zukunft aussehen könnte. In „Exodus“ hat die Britin Penny Woolcock einfach die biblische Geschichte vom Auszug der Juden aus Ägypten in das zukünftige Margate an der Südküste Englands verlegt. In dem spanischen „Cronocrimenes“ von Nacho Vigalondo gibt eine Zeitmaschine dem Helden die Chance, eine Stunde ungeschehen zu machen und in „Trust.Wohltat“ des in Aurich geborenen Eike Bettinga sind die Menschen durch eingepflanzte Mikrochips zu vom Staat völlig kontrollierbaren Wesen gemacht worden.

In einer Hommage an den kürzlich verstorbenen Schauspieler Ulrich Mühe werden neben seinem Erfolgsfilm „Das Leben der Anderen“ auch seine früheren Arbeiten, etwa Bernhard Wickis „Spinnennetz“ oder Michael Hanekes „Funny Games“ zu sehen sein, so dass man ihn mit dem Remake „Funny Games U. S.“ vergleichen kann. In der internationale Reihe werden Erfolge von den großen Festivals nachgespielt, so diesmal etwa der Bollywood-Schmachtfetzen „Om Shati Om“ oder der Publikumsliebling der Berlinale, „Lemon Tree“ aus Israel.Wilfried Hippen