Streit über Umfang der Bahn-Privatisierung

Vertragsentwurf erlaubte Verkauf von mehr als einem Viertel der Transportsparte. Debatte im Ausschuss vertagt

BERLIN taz ■ In der großen Koalition ist ein Streit über die Frage entbrannt, wie viel Prozent der neuen Bahn-Transportsparte der Bund privatisieren soll. Wegen der Differenzen verschoben Union und SPD am Mittwoch eine Debatte über das Thema im Verkehrsausschuss des Bundestages. „Es gab noch Diskussionsbedarf“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Sozialdemokraten, Uwe Beckmeyer, der taz.

Die SPD-Fraktion hatte ihre Zustimmung zu der Privatisierung davon abhängig gemacht, dass nur 24,9 Prozent der DB Mobility Logistics AG verkauft werden. Das soll in einem Beteiligungsvertrag zwischen dem Bund und der Bahn festgelegt werden – so haben es die Abgeordneten vergangene Woche beschlossen. In einem Vertragsentwurf vom 30. Mai hatte Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) jedoch zugelassen, dass die Bahnsparte bis zu 49,9 Prozent ihrer wichtigsten Tochterfirmen verkaufen kann. Private Anleger könnten dann bis zu 74,8 Prozent eines Eisenbahnunternehmens erwerben: 49,9 Prozent direkt und 24,9 Prozent indirekt.

Erst nach Protest der Linken, Grünen und Teilen der SPD bot Tiefensee einen Kompromiss an: Demnach darf die Privatisierungssparte ihre Töchter für den Nah-, Fern- und Güterverkehr sowie die Spedition Schenker auch nicht in Teilen verkaufen. „Sonst hätte der Vertrag die Möglichkeit einer zweiten Privatisierung eröffnet“, sagte Tiefensees Sprecher Sven Ulbrich.

Die privatisierungsfreundliche Unionsfraktion lehnte die Änderungen laut Berliner Zeitung aber umgehend ab und sorgte dafür, dass der Verkehrsausschuss seine für Mittwoch geplante Debatte über den Vertrag verschob. „Das Thema wurde abgesetzt. Am Freitag wird es eine Sondersitzung geben“, berichtete der verkehrspolitische Sprecher der CDU, Dirk Fischer. Bis dahin müsse noch über einen weiteren Entwurf verhandelt werden, den Tiefensee für Donnerstag angekündigt habe.

„Das Verkehrsministerium wollte offenbar die SPD-Fraktion austricksen und die Privatisierungsbeschränkung unterlaufen“, erklärte der Grünen-Verkehrsexperte Winfried Hermann. Ähnlich argumentierte das Bündnis „Bahn für Alle“: Die Regierung wolle viel mehr von der Bahn verkaufen als bisher bekannt. Das zeige Tiefensees nun zurückgezogener Entwurf. „Das ist nur ein formaler Rückzieher“, sagte Bündnissprecher Stefan Diefenbach-Trommer. „Sie werden es wieder versuchen.“ JOST MAURIN