Fliegende Fetzen im Hohen Haus

Neuer Tumult im niedersächsischen Landtag: Die Linken nehmen die Aufrührer-Rolle ein, die einst die Grünen inne hatten. Erneut im Aufmerksamkeits-Zentrum: der Abgeordnete Patrick Humke-Focks

VON KAI SCHÖNEBERG

Die „Kommunisten“ wollten nur Klamauk und würden versuchen, die Gesetze des altehrwürdigen Landtags mit antiparlamentarischem Qualm außer Kraft zu setzen: So rumorte es vernehmlich vor allem aus der CDU und FDP in Niedersachsen, nachdem Die Linke im Januar mit 7,1 Prozent der Wählerstimmen in das Hohe Haus in Hannover eingezogen war. Tatsächlich hat sich der Rummel-Faktor mit den Linken erhöht, sie haben mit ihren nicht ausschließlich originellen Aktionen die Aufrührer-Position eingenommen, die einstmals die Grünen inne hatten.

Bislang gab es jedoch, wie früher bei den Grünen, vor allem Streit um Textilien. Schals mit Friedenstauben wurden im Plenum umgelegt, der Linken-Abgeordnete Victor Perli gerüffelt, als er ein T-Shirt mit dem Bild von CDU-Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und der Aufschrift “Stasi 2.0“ in die Höhe hielt. Sein Kollege Patrick Humke-Focks erhielt einen Verweis, weil er mit einem Leibchen mit dem Aufdruck “Antifaschistische Aktion“ zum Dienst im Plenum erschienen war.

Am Donnerstag entzündeten sich erneut brot-und-spielemäßig die Gemüter. Und wieder Humke-Focks mittendrin, der den Tumult später als „äußerst unangenehm“ beschrieb. Wer hat den ersten Stein geworfen? Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP)? Der 67-jährige, äußerst selten ausfällige Parlaments-Dinosaurier, hatte bei einer Debatte über die Auswirkungen des EuGH-Urteils auf das Landesvergabegesetz gesagt, wegen seiner antieuropäischen Ressentiments sei Oskar Lafontaine ein „Brandstifter“, die Linken-Anfrage entspreche sogar „der Diktion von weit rechts“.

Oder Humke-Focks? Der hatte sich geärgert, dass Landtagspräsident Hermann Dinkla (CDU) nicht auf die nun folgenden Attacken von FDP- und CDU-Mannen reagierte. Selbst Christian Wulff (CDU) hielt es in den folgenden wilden Minuten nicht auf der Regierungsbank. Inmitten großen Geschreis entlies Humke-Focks ein „Sie missbrauchen Ihr Amt“ Richtung Dinkla. Der erteilte ihm dafür einen Ordnungsruf.

Humke Focks legte sogar noch einen drauf: „Beenden Sie den Kalten Krieg in den Köpfen – vielleicht liegt es aber auch an Ihrem Alter“, sagte er zum 65-jährigen Landtagspräsidenten. Dass der einst als besonders besonnen gepriesene Ostfriese Dinkla nicht weiter gelbe Landtagskarten verteilte, um zu „deeskalieren“, legten im später mehrere Parlamentarier als Schwäche aus.

„Dinkla agiert viel zu ängstlich“, hieß es später von ansonsten freundlich gesonnenen Parlamentariern. „Der ist doch nur dafür da, die Bambule im Landtag klein zu halten“.