BERLINER PLATTEN
: Diven bei der Arbeit: Mit Paula sucht Elke Brauweiler nach dem elektrifizierten Chanson, und Denis Fischer kümmert sich um seine labilen Mitmenschen

Was haben Paula bloß falsch gemacht? So lang ist es noch nicht einmal her, das neue Jahrtausend war noch jung und bezahlt wurde noch in Deutscher Mark, da war das Electronicduo der heißeste Scheiß, den Berlin zu bieten hatte. Nun, zweieinhalb vermeintliche Popquantensprünge später, bringen Paula mit „So wie jetzt“ ihr mittlerweile fünftes Album heraus, und es schlägt nicht gerade tsunamigleiche Wellen.

Dabei hat sich nicht wirklich viel verändert: Elke Brauweiler, mittlerweile alleinige Paulista, nimmt auf dem Cover immer noch mit schwungvoller Frisur die Posen von Filmstars aus den Dreißigerjahren ein und singt mit ihrer getragenen Stimme von den Fährnissen der Liebe. Und Berend Intelmann ist zwar nicht mehr offizielles Mitglied, programmiert aber wie gewohnt die gemütlich tuckernden Rhythmen. Die markieren – nach einer Phase, in der Paula akustischere Klänge adaptierten – eine Rückkehr zu den eigenen Wurzeln, allerdings klingen diese Beats heute nicht mehr aufregend, sondern eher behäbig.

Auch die Diskrepanz zwischen der Dancebasis und den Kitschmelodien, aus der Paula stets ihre Faszination bezogen, ist lange nicht mehr so spannend, wenn selbst Schlager und Volksmusik mittlerweile zu Electrobastarden verkommen sind. So funktioniert das Paula-Konzept zwar grundsätzlich weiterhin wie geschmiert, aber es lässt einen überraschend kalt – was wiederum Teil des Ansatzes ist, wenn sich Brauweiler als unnahbare Diva inszeniert. Doch einen Ausweg aus diesem Dilemma scheint allein ein bislang eher vernachlässigter Nebenaspekt des Paula’schen Werks zu eröffnen: Wenn das Tempo ganz herausgenommen wird, wie in „Voyager dans la tête“, gelingt Brauweiler und Intelmann tatsächlich das elektrifizierte Chanson. Nichts, was die Franzosen im Prinzip nicht auch schon hinbekommen hätten. Aber einen großen Vorteil im Vergleich zu den Modernisierungsversuchen aus dem Mutterland des Genres haben Paula doch: Brauweiler singt im Gegensatz zu ihren französischen Konkurrentinnen nicht wie eine sexsüchtige Schwindsüchtige auf Hungerast.

Noch so ’ne Diva ist Denis Fischer. Der ist zwar lange nicht so schrill wie sein älterer Bruder Tim, den er für „Devil in Disgiuse“ als Duettpartner engagiert hat, aber doch auch ein begnadeter impersonator mit Hang zur Selbstdarstellung. Dabei schlüpft er am liebsten in die Rollen von Figuren mit seelischen Abgründen. Nach Platten, auf denen er ausschließlich „Death Songs“ oder Harald Juhnke sang, hat er für „Devil in Disgiuse“ erstmals einige Stücke selbst geschrieben, widmet sich aber immer noch mit Hingabe der Neuinterpretation von Klassikern, die eher labile Mitmenschen wie Van Morrison („Wild Night“) oder Iggy Pop („Lust for Life“, „Candy“) bekannt gemacht haben. Die Umsetzung ist dabei angemessen, aber nicht gerade innovativ. Die Band benutzt selten mehr als die üblichen Klänge aus dem Countrypopfundus und weil auch Fischer selbst sich um stimmliche Zurückhaltung bemüht, scheitert die Aneignung auf halbem Wege.

THOMAS WINKLER

Paula: „So wie jetzt“ (Exzess Berlin/Rough Trade)

Denis Fischer: „Devil in Disgiuse“ (Roof Music/Indigo)