High Tech im Klassenzimmer

Hamburg stattet Schulen mit elektronischen Wandtafeln aus. Lehrer, die mit dem Gerät arbeiten, wollen nicht mehr darauf verzichten. Auch die Schüler sind von der neuen Tafeltechnik begeistert. Aber die Augen könnten ermüden

VON KATRIN KESSLER

Haben Sie sich in letzter Zeit auch gefragt, wie die zukünftige Bildungspolitik Hamburgs aussieht? Zumindest die Frage, welche Technik im Schulunterricht zum Einsatz kommt, kann an dieser Stelle beantwortet werden: Bis zum Jahr 2010 sollen alle allgemeinbildenden Schulen Hamburgs mit elektronischen Schultafeln ausgestattet sein. Die Bildschirme funktionieren wie ein Touch Screen, sie werden direkt beschrieben.

Für die Schüler des Gymnasiums Buckhorn in Volksdorf hat die Zukunft schon begonnen: vor drei Jahren startete dort das Pilotprojekt zur Erprobung der „White Boards“ im Schulalltag. Lateinlehrerin Nicola Schütz entwickelt neue Unterrichtsprogramme für die Verwendung der digitalen Tafeln und gibt ihre Erfahrungen dann an deren Hersteller und auf der Bildungsmesse „Didakta“ weiter. Sie bekennt: „Ohne könnte ich nicht mehr unterrichten.“

Ihre sechste Klasse übersetzt heute einen Text „auf die klassische schlichte Art“ in Gruppenarbeit. Die Ergebnisse werden an der Tafel Satz für Satz zusammengetragen. Die Methoden sind althergebracht, neu ist jedoch die Art der Wissensvermittlung: Ein Schüler steht vor der digitalen Tafel und berührt mit der Hand den Touch Screen. Er tippt auf den Begriff „Subjekt“ und ordnet die Kategorie Subjekt mit seiner Handbewegung einem Satzteil im Text zu. Die Satzteile sind farbig unterschiedlich gekennzeichnet, so dass Subjekt, Prädikat und Akkusativ cum Infinitivo sofort zu erkennen sind.

Das interaktive Arbeiten gefällt den Kindern offensichtlich. Selbst Latein kann heutzutage abwechslungsreich gestaltet werden. Nicola Schütz klickt an der Seitenliste der Tafeloberfläche auf eine Datei und es erscheint die historische Abbildung des Protagonisten der behandelten Erzählung. Blitzartig hergestellt ist auch die Verbindung ins Internet, die Vernetzung mit mehreren Notebooks und Datenträgern ist selbstverständlich. Nach der Stunde kann der Unterrichtsstoff, dass heißt alle Bewegungen auf der Tafel, abgespeichert werden. Das hat den Vorteil, dass alle sofort wissen, was genau zuletzt behandelt wurde. Sofern die Kinder zuhause über Internet verfügen, können sie jederzeit auf die Datei zugreifen. Die Ausrede. „Ich war krank. Ich weiß nicht, was letzte Woche dran kam!“, wird es also bald nicht mehr geben.

Finanziert werden die Tafeln aus dem noch vom vorigen CDU-Senat beschlossenen „Sonderinvestitionsplan zur Wachsenden Stadt“ mit 5,6 Millionen Euro. Grundschulen erhalten je nach Bedarf drei bis fünf, Sekundarschulen etwa sieben Geräte.

Manche Pädagogen sehen diese Entwicklung kritisch. So würde zwangsläufig die Aufmerksamkeit der Schüler in der Hauptsache auf die technischen Möglichkeiten gerichtet. Dabei bestünde die Gefahr, die Inhalte des Unterrichts aus den Augen zu verlieren.

Unklar ist auch die Wirkung auf die Augen. Dietlind Friedrich, Expertin für Kinderaugenheilkunde beim Berufsverband der Augenärzte, ist die neue Tafeltechnik noch nicht bekannt. Sie verweist aber auf eine Studie über Kinder, die regelmäßig längere Zeit vor einem Fernsehgerät verbringen. Junge Menschen können ihre Augen für gewöhnlich hervorragend von Fern- auf Nahsicht umstellen. Diese Fähigkeit zur Akkommodation würde bei den getesteten Kindern nachlassen, weil es zu einer Überbeanspruchung der Augenmuskulatur kommt.

Den Skeptikern sei gesagt: Die elektronischen Tafeln sollen die grünen Tafeln keinesfalls ersetzen. Das White Board sei, so Annegret Witt-Barthel, Sprecherin der Hamburger Schulbehörde, als Ergänzung und Erweiterung der bisherigen Lehrmittel gedacht.