Bereit für lange Wege

Michael Ballack will gegen Polen da anknüpfen, wo er im Champions-League-Finale aufgehört hat. Es gehe um die Eigenmotivation jedes Einzelnen, sagt er. Ein Vorbild haben seine Mitspieler ja – ihn

TENERO taz ■ „Das gehört jetzt nicht hierher.“ Michael Ballack gibt sich zurückhaltend. Ob er sich mit dem Bundestrainer in taktischen Fragen bespreche, war der Kapitän gefragt worden. Ja, so die Antwort. Was gesprochen wurde, das erfuhr die Öffentlichkeit nicht. „Das ist letztlich die Sache des Bundestrainers.“ Wie groß der Einfluss Ballacks auf den Stil des deutschen Spiels ist, darüber mag keiner offen reden.

Und doch weiß jeder, dass der deutsche Superstar des laufenden Jahres vor zwei Jahren, als Jürgen Klinsmann die WM im Hurrastil erobern wollte, kräftig auf die Bremse trat. Er selbst war es, der sich zurückversetzt hatte ins defensive Mittelfeld, der die Verteidigung stabil machte. „So spielen wir im Prinzip bis heute“, sagte der Kapitän. Die deutsche 4-4-2-Variante – Ballack hat sie selbst erfunden. Er scheint stolz darauf zu sein. Sollte er einmal aufgenommen werden in den deutschen Fußball-Olymp, wo Franz Beckenbauer neben Fritz Walter sitzt, dann werden vielleicht ähnliche Geschichten über Ballack geschrieben werden, wie sie einst über den Kaiser verfasst wurden. Weltmeistertrainer Helmut Schön, so heißt es, habe als Trainer unter Beckenbauer nicht viel zu sagen gehabt. Wie viel hatte Klinsmann, hat Löw unter Ballack eigentlich zu sagen?

Vielleicht werden schon nach dem Turnier die ersten Geschichten in diese Richtung gedreht – wenn es Ballack gelingt, das Spiel so an sich zu ziehen, wie es ihm in der vergangenen Monaten beim FC Chelsea oft gelungen ist. Er glaubt an sich. Ein paar Anlaufschwierigkeiten könne es geben im Auftaktspiel gegen die Polen. Und dann, da wirkte er ziemlich sicher, kurz vor dem Spiel in Klagenfurt, wird er schon „hineinfinden“ in das Turnier. Er will da anknüpfen, wo er im verlorenen Champions-League-Finale von Moskau aufgehört hat. Gelingt es ihm, können die Fernsehzuschauer nur hoffen, dass die Bildregie nicht zu viele Nahaufnahmen in die Übertragung einbaut. Nur dann können sie sehen, welche Wege der Macher geht, wie er die Nähe zum Ball sucht, wie er gesucht wird.

Geniale Bälle wird er auch in Bestform wenige schlagen, von seinen meist sicheren Zuspielen ist aber immer eines dabei, mit dem der Gegner nicht rechnet. Ballack könnte als bester Spielertrainer aller Zeiten in die deutsche Geschichte eingehen. Klappen kann das nur, wenn seine Mitspieler funktionieren. Die haben „gut gearbeitet“. Jetzt gehe es, so der Kapitän, um die Eigenmotivation jedes Einzelnen. Bei ihm scheint in dieser Hinsicht alles bestens zu laufen. Michael Ballack ist bereit.

ANDREAS RÜTTENAUER