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: Manhattan an der Newa

Julia Belomlinskaja über New Yorks jüdisch-russische Gemeinde der 90er – inszeniert von Franja

„Tolle Geschichten, mit Witz vorgetragen von gut aussehenden Autoren, begeistern das Publikum“, finden Friederike Meltendorf und Anja Tchepets alias „Franja“. „Doch nicht alle Autoren sind begnadete Entertainer, viele leben im Ausland und einige sind seit Jahrhunderten tot.“ Da setzen die Hamburger Übersetzerin und die Berliner Künstlerin an: Statt einer Künstler-und-Übersetzer-an-weißer-Tischdecke-Performance, hübschen sie den Vortrag mit szenischen Einlagen, bewegten Bildern und Musik auf.

Julia Belomlinskajas Erlebnisse zwischen spätsowjetischer Boheme und deren Abkömmlingen im Manhattan der 90er Jahre bilden das Material für den Roman „Apfel, Huhn und Puschkin“. Emigriert aus Angst vor einem Bürgerkrieg, findet sich die Ich-Erzählerin wieder an der Seite eines langweiligen Slawisten im US-Mittelwesten – „15 Meilen von Martinsville, dem Zentrum des Ku Klux Klan. Und das mit einer nicht-arischen Physiognomie! Super Plan!“ – um später ins russisch-jüdische gehobene Migranten-Milieu von New York zu geraten. Wo es dann weder mit der erhofften Liebe mitsamt materieller Absicherung hinhaut noch mit dem Geldverdienen.

Tragisch, so ein gescheiterter Amerikanischer Traum – von Belomlinskaja und Übersetzerin Meltendorf ohne Selbstmitleid erzählt. Aus dem quirligen Tonfall dieses Buches stechen allerdings faulige Einsprengsel heraus. Oder künden Sätze wie „Wie alle Schwuchteln war er eine Künstlernatur mit einiger Fantasie“ von Humor? ALDI

20.30 Uhr, Logensaal der Kammerspiele, Hartungstr. 9 – 11