Die Kunst muss sich selbst finanzieren

In Berlin wurde der Grundstein für die temporäre Kunsthalle gelegt. Die Betriebskosten sind ein Problem

Die Realisierung großer Utopien fällt mitunter prosaisch aus. Kurz und bodenständig war die Spatenstichzeremonie, mit der am Freitag der Baubeginn für die temporäre Kunsthalle am Schlossplatz gefeiert wurde. Ein paar Worte unter der Mittagssonne, symbolisches Sandschippen für die Fotografen, dazu Apfelschorle an Stehtischen. Kaum vorstellbar, dass schon in vier Monaten eins der mutigsten Kulturprojekte der Republik die Schlossfreiheit zieren wird: ein 20 mal 56 Meter großer und elf Meter hoher Tempel für Gegenwartskunst in Gestalt eines Würfels – Berlins neuer Showroom für Gegenwartskunst.

Der Wiener Architekt Adolf Krischanitz verglich sein temporäres Bauwerk mit einem Schmetterling, der sich für kurze Zeit am falschen Ort niederlasse, um langfristig das richtige Bewusstsein zu wecken – für eine dauerhafte Halle für Gegenwartskunst. Zwei Jahre soll die mit Faserzementplatten verkleidete Holzkonstruktion auf dem Schlossplatz stehen, rechtzeitig zum für 2010 anvisierten Bau des Humboldt-Forums gegenüber soll sie wieder weichen.

Dass die Kunstzwischennutzung in der historischen Mitte Berlins möglich wurde, ist ein glücklicher Einzelfall in der Berliner Kulturpolitik. Die Kunstenthusiastinnen Konstanze Kleiner und Coco Kühn, die schon Ende 2005 eine fulminante Ausstellung im abrissreifen Palast der Republik organisierten, gewannen private Geldgeber und das Wohlwollen des Regierenden Bürgermeisters. In einem Ideenwettbewerb siegte der leichter zu finanzierende Würfel im Oktober 2007 gegen einen wolkenförmigen Entwurf des Architekturbüros Graft. Seit März liegt die Baugenehmigung vor.

Dass sich die Politik so kooperativ zeigt, hat mehrere Gründe. Berlin erhofft sich mit dem prominent platzierten Kunstwürfel eine imagetaugliche Vermarktung seiner Kunstszene. Außerdem ist die rein privat finanzierte Kunsthalle auf Zeit ein billiger Testballon für das Vorhaben, einen Nachfolger für die 1993 geschlossene staatliche Kunsthalle zu etablieren. Seit der erfolgreichen Gegenwartsschau im Palast herrscht in Berlin große Sehnsucht nach einem Ort, der in der Lage ist, aufstrebende Berliner KünstlerInnen in ihrer Heimatstadt gebührend zu würdigen.

Auf dem Würfel ruhen große Erwartungen. Er soll richten, was die staatlichen Museen versäumt haben. Und er soll der Dauerbaustelle Schlossplatz eine Touristenattraktion bescheren. Ob der „Schmetterling“ mit der flexibel bespielbaren Außenhaut all das leisten können wird?

Zumindest wurde bei der Vorstellung des Konzepts klar, dass das fünfköpfige Organisationsteam seine Utopie auf solide Füße stellt. Den 850.000 Euro teuren Bau finanziert die Stiftung Zukunft Berlin um den Sammler Dieter Rosenkranz, zahlreiche Sponsoren. Pachtverträge mit einer Museumsbuchhandlung und einem Cafébetreiber sind geschlossen. Man rechne, erläuterte Geschäftsführerin Konstanze Kleiner, mit 300 bis 500 Besuchern pro Tag bei täglichen Öffnungszeiten.

Die kuratorische Managerin Angela Rosenberg und ihr künstlerischer Beirat wünschen sich auch einen „Laborraum“ für radikale Aktionen. Doch die Kunst wird selbst für die nötigen Einnahmen sorgen müssen, damit das privat finanzierte Unternehmen Kunsthalle zwei Jahre überleben kann. Daher setzt man für den Anfang vorsichtshalber auf bewährte Namen. Am 17. Oktober wird die Halle mit einer Einzelschau der in Berlin lebenden Südafrikanerin Candice Breitz eröffnet werden. Umgeben wird Breitz’ Werk von einer Außenhülle des Documenta-Künstlers Gerwald Rockenschaub: Eine gepixelte weiße Wolke auf blauem Hintergrund. Nicht nur eine Anspielung auf den unterlegenen Konkurrenten im Wettbewerb, sondern auch Ludwig Wittgenstein zum Trotz, der gesagt hatte: „Eine Wolke kann man nicht bauen.“ NINA APIN