„Viele wollen es nicht umsonst“

Mit dem Projekt „SeniorPartner“ will die Diakonie Hamburg Einsamkeit im Alter entgegenwirken. Freiwillige bieten gegen eine Aufwandsentschädigung Ansprache und praktische Hilfe

INGEBORG MÜLLER, Jahrgang 1950, ist Fachbereichsleiterin Frauenprojekte und Familienbildung der Diakonie in Hamburg.

INTERVIEW FRIEDERIKE GRÄFF

taz: Frau Müller, soll das Projekt Senior Partner eine Antwort auf auseinanderfallende Familienstrukturen sein?

Ingeborg Müller: Es ist eine Antwort auf die gesamte gesellschaftliche, auch die demographische Entwicklung. Und damit natürlich auch auf die veränderten familiären Verhältnisse: Die steigende Zahl der Singles, die Tatsache, dass Kinder häufig in anderen Städten leben.

Suchen Sie praktische Hilfe im Haushalt oder eher Gesprächspartner für Einsame?

Es geht darum, alten Menschen, die noch nicht pflegebedürftig sind, die Teilhabe am sozialen Leben zu ermöglichen. Wir gehen davon aus, dass es Menschen sind, die relativ isoliert leben, weil sie sich aufgrund ihres Alters und kleiner Unsicherheiten im körperlichen Bereich nicht mehr alleine nach draußen trauen. Aber es geht auch darum, kleine Handreichungen zu machen.

Ein klassischer Fall für Nachbarschaftshilfe, würde man denken.

Es gibt schon noch intakte Nachbarschaften – aber nicht mehr überall. Und wir sprechen von älteren Menschen, bei denen sich im Laufe der Zeit die Struktur der Nachbarschaft geändert hat. Jemanden, zu dem nur ein Grußkontakt besteht, in die Wohnung zu lassen, ist nicht so leicht.

Schafft das Gütesiegel „Diakonie“ einen Vertrauensvorschuss für die Freiwilligen?

Das glaube ich schon. Außerdem sind wir mit einem Ladenbüro in den Stadtteilen Harburg und Bergedorf präsent, wo jeder hinkommen kann. Gleichzeitig arbeiten wir eng mit den Sozialstationen zusammen.

Wie ist gewährleistet, dass vereinsamte Menschen überhaupt von dem Angebot erfahren?

Wir haben in den Regionen, in denen wir bislang mit dem Projekt vertreten sind, Kontakt zu den Kirchengemeinden geknüpft, die ja teilweise Besuchsdienste haben – und sei es nur zu den runden Geburtstagen. Aber wir machen unser Angebot auch in den Stadtteilzeitungen oder in Mehrgenerationenhäusern bekannt.

Wie viele Nutzer des Angebots können die Aufwandsentschädigung von zehn Euro nicht aufbringen?

Das können wir noch nicht sagen, da wir erst seit Mitte Mai vor Ort vertreten sind. Wir versuchen über Spenden einen Fonds aufzubauen, der uns erlaubt, auf einen Euro oder 50 Cent herunterzugehen. Denn viele wollen es nicht umsonst – gerade die jenigen, die wenig Geld haben.

Warum?

Seit Mai dieses Jahres gibt es den Freiwilligen-Dienst „SeniorPartner“ der Diakonie in den Hamburger Stadtteilen Harburg und Bergedorf. Bis Ende des Jahres soll das Angebot auf alle Bezirke ausgedehnt werden. Die TeilnehmerInnen werden von der Diakonie für ihre Aufgabe geschult und erhalten eine Aufwandsentschädigung zwischen 85 und 175 Euro pro Monat. Der Aufbau des Projekts wurde von der ARD-Fernsehlotterie gefördert, die 2008 die Personalkosten für die Standortleitungen übernommen hat, sowie durch die Friedrich und Louise Homann-Stiftung. GRÄ

Weil die Leute es teilweise als Almosen empfinden, wenn sie wissen, dass andere dafür zahlen. Das erleben wir auch in vielen Bereichen so.

Wer stellt sich als Freiwilliger bei Ihnen zur Verfügung?

In vergleichbaren Projekten waren es überwiegend Frauen. Bisher haben sich dreißig Interessenten ab Ende Zwanzig gemeldet – der älteste war neunzig. Das Durchschnittsalter liegt zwischen 45 und 65 Jahren.

Wie wollen Sie die Arbeit dauerhaft finanzieren?

Wir wollen stärker öffentliche Gelder akquirieren und ein Teil wird sicher durch die Aufwandsentschädigung finanziert.