Die Meeresretter aus Hollenstedt

Norddeutsches Unternehmen entwickelt Verfahren gegen gebietsfremde Organismen im Ballastwasser und will damit Ökosysteme im Meer vor Unterwasser-Aliens schützen. Weltweit erste als umweltfreundlich zertifizierte Methode

Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) hat das erste System zur umweltfreundlichen Reinigung von Ballastwasser zertifiziert. Die Technik wurde von der Hamann AG aus dem niedersächsischen Hollenstedt entwickelt. Sie entfernt Tiere und Pflanzen, die im Ballastwasser über die Weltmeere reisen und die Ökosysteme fremder Kontinente umstürzen.

Den einwandernden Meereslebewesen fehlen oft die natürlichen Feinde, weshalb sie sich in ihrer neuen Heimat explosionsartig vermehren. Die Wanderung stelle „eines der vier größten globalen Umweltprobleme“ dar – „nicht weniger gefährlich als der globale Klimawandel“, warnt das BSH.

Beispiele des Unterwasser-Kolonialismus sind die ursprünglich vor der Ostküste Amerikas beheimatete Rippenqualle und die chinesische Wollhandkrabbe. Während die Qualle mit Migrationshintergrund inzwischen in der Ostsee die Fischbestände plündert, zerschneidet die Krabbe an den norddeutschen Küsten mit ihren messerscharfen Scheren Fischernetze und unterhöhlt Deiche.

Wie rund 100 andere gebietsfremde Organismen, die sich inzwischen in der Nord- und Ostsee angesiedelt haben, wurden die Invasoren aus Amerika und China vermutlich im Ballastwasser von Handelsschiffen eingeschleppt. Der Schaden solcher Wanderungsbewegungen geht nach Einschätzung des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) weltweit bereits in die Milliarden.

Hilfe naht aus Hollenstedt. „Bei der Lehmkuhle“, so die Adresse des Mittelständlers Hamann, wurde ein Verfahren entwickelt, die Meeres-Aliens umweltgerecht aus dem mitgeführten Schiffswasser zu entfernen. Das „Ballastwassermanagementsystem“ arbeitet mit einem Dreischritt aus Zentrifugen, Filtersystemen und Zugabe von Essigsäure plus Aktivsauerstoff angeblich rückstandsfrei. Das ist wichtig, weil bislang per anno rund 20 Millionen Tonnen Ballastwasser unkontrolliert in die Nord- und Ostsee fließen.

So war es für Hamann und die Systemmitentwickler der Evonik Degussa aus Frankfurt am Main ein „Meilenstein“, dass das BSH ihr System als weltweit erste taugliche Waffe gegen die tierischen Einwanderer zertifizierte. Damit könne das 2004 geschlossene internationale Abkommen zur Überwachung und Behandlung von Ballastwasser endlich praktisch umgesetzt werden.

Die Konvention sieht den Einbau entsprechender Filtertechnik auf etwa 40.000 Schiffen bis 2016 vor. Neubauten müssten schon ab 2009 mit entsprechenden Anlagen ausgerüstet werden. Die Bundesrepublik unterzeichnete die Konvention bislang mit der Begründung nicht, es fehle eine brauchbare Technik, um den Worten auch Taten folgen zu lassen.

Schlechte Zukunftsaussichten also für Killer-Plankton und Schiffsbohrwürmer. Doch auch Hamann hat noch ein kleines Problem zu bewältigen. Die Ausrüstung mehrerer tausend Schiffe mit dem System, das einige hunderttausend Euro pro Stück kostet, könnte für den Mittelständler ein paar Nummern zu groß sein. MARCO CARINI