Punk Rock Girls

Das Berlin Underground Filmfest hat’s auch nicht leicht: Um echte Punkheldinnen zu finden, muss es einige Jahre zurücksurfen

VON JENNI ZYLKA

Punk Rock Girls, erklärt Olga Orbit von „Youth in Asia“, hätten es auf jeden Fall besser gehabt als Disco Girls: Man habe auch mal anständige Pints kippen können, nicht nur diese Chichi-Mädchen-Drinks. Und die Klamotten waren ohnehin geiler.

Es geht um Ausgehen, um Stil und Anti-Stil, um Musik, eben darum, wie Jugendbewegungen funktionieren: In Zillah Minx’ Dokumentation „She’s a punk rocker – UK“ kommen jede Menge britische Frauen zu Wort, die seit Mitte der 70er zur Punkbewegung zählen. Poly Styrene von X-Ray Spex, einst in Gummi gewandete „Oh bondage, up yours!!!“-Shouterin, trägt die Korkenzieherlocken jetzt mit einer Strassbrosche in Floralmuster gebändigt, Gaye Adverts von den Adverts ist beim – heute eleganten – Schwarz geblieben, die meisten der Frauen würden sich allerdings noch immer als Punks bezeichnen.

Minx’ Film reiht wichtige Talking Heads aneinander, doch mehr leider nicht: Nach 45 Minuten verbaler Versicherungen, dass man damals totale Außenseiterin war, dass man froh war, andere gefunden zu haben, die ebenfalls ihre Sicherheitsnadeln gegen das Hippie-Establishment durch Hosen und Wangen bohrten, dass man sich als Punk Rock Girl grenzenlos frei und wohl gefühlt habe und dass Sid Vicious meist im Drogenkoma in irgendwelchen Clubecken herumlag, kommen noch 15 Minuten Tonmaterial der Bands von damals. – Viel zu wenig für stimmige Portraits. Feminismus schleicht zwar als Attribut vorbei, aber der Film der „Rubella Ballet“-Sängerin Minx versuppt bis auf ein paar herausragende Zitate ganz in der zugegeben bunten und aufschlussreichen Oberfläche dieser klassischsten aller Subkulturen.

Aber eigentlich war Punk doch mal mehr als Iros mit Seife drin und Geschrei. Der zweite Teil der „Riot Girrrls“-Reihe im Rahmen des „Berlin Underground Filmfests“ zeigt darum die erste umfassende Dokumentation über die „Queen of Punk“: Die Schriftstellerin Kathy Acker, deren einziges auf Deutsch erschienenes Buch „Harte Mädchen weinen nicht“ (im Original „Blood and Guts in High School“) direkt nach dem Erscheinen verboten wurde und in Deutschland erst Anfang der 90er in einer gekürzten Neuauflage wieder herauskam, trug diesen Titel als Roman- und Theater-Autorin, Feministin und Journalistin. Gegen Acker, die 1997 an Krebs starb, ist Charlotte Roche mit ihrem storyfreien Hygienebändchen kalter Kaffee – Acker ging es um alles, oft aber um Feminismus, Sex und Sadomasochismus, und sie konnte dies auch ausdrücken. In „Harte Mädchen weinen nicht“ malt sie das dunkle Portrait eines in sexueller Beziehung mit seinem Vater – oder nur seinem Freund, der Vater heißt? – lebenden Mädchens, das sich später als Prostituierte durchschlägt. Dass Ackers pornofreundliche Haltung ihr Ärger mit den Feministinnen einbrachte, verstand sich auch damals schon von selbst, und es macht großen Spaß, zu sehen, wie Acker, die eine Zeitlang als brandheißer Scheiß vor allem durch die englischen Talkshows gereicht wurde, sich in einem 1984 entstandenen Gespräch über die empörten Blümchensex-Emanzen lustig macht.

Die Filmemacherin Barbara Caspar nähert sich der „Porno-Piratin“ Acker voller Ehrfurcht und mit dem besten Willen – ihr Film ist Portrait und bisweilen fast zu huldvolle Hommage. Und er steht momentan natürlich thematisch absolut top – ein medienwirksameres Thema als Frauen, die über Schwänze schreiben, wird es wohl noch lange nicht geben.

Asia Argento, die in eine italienische Filmfamilie hineingeborene Schauspielerin und Regisseurin, drehte 2004 den bedrückenden und beeindruckenden Independent-Film „The heart ist deceitful above all things“ (auf Deutsch: „Sarah“), eine Romanverfilmung des gleichnamigen Buches von JT LeRoy (eigentlich ein Pseudonym der Schriftstellerin Laura Albert, das diese aber lange als reale Person ausgegeben hatte). Als dritter Film in der Rriot-Girrrls-Sektion des Festivals erzählt er nochmal eine Geschichte, die mehr Hardcore ist, als die meisten Punksongs es je sein werden: vom kleinen Jeremiah, der von seiner irren, zu jungen Mutter (Asia Argento) aus der harmonischen Pflegefamilie in einen Strudel von Gewalt, Prostitution und Drogen gepflanzt wird. Und: An der Grenze zum Erträglichen, dennoch in jeder Hinsicht faszinierend, kann man sich die meisten Bilder des gruseligen Familiendramas kaum woanders besser vorstellen als in einem Laden mit dem Namen „White Trash“.

Am 12. 6. wird „She’s a punk rocker“ gezeigt. Am 17. 6. sind Asia Argento & „Who’s afraid of Kathy Acker“ zu sehen. In der Diamond Lounge im White Trash Fast Food.