„Sehr befriedigende Arbeit“

Noch führt Mediation ein Nischendasein, aber die außergerichtliche Vermittlung ist auf dem Vormarsch. Ein Gespräch mit der Mediatorin und Leitern der ÖRA Hamburg, Monika Hartges, über Möglichkeiten und Grenzen dieses Angebots

MONIKA HARTGES, 49, Mediatorin (BAFM), leitet die Öffentliche Rechtsauskunfts-und Vergleichsstelle (ÖRA) in Hamburg.

INTERVIEW FRIEDERIKE GRÄFF

taz: In anderen Bundesländern wird Mediation auch gerichtsintern angeboten – warum nicht in Hamburg, Frau Hartges?

Monika Hartges: Es ist ein Bereich, der in jedem Bundesland anders umgesetzt wird. Hier in Hamburg sagt der schwarz-grüne Koalitionsvertrag, dass es auch hier eine ans Gericht angelagerte Förderung der Mediation geben soll.

Das heißt, es gibt Bewegung.

Wir bei der ÖRA machen relativ viel Mediationen, in denen es schon ein Gerichtsverfahren gibt, bei dem die Richter sagen: „Versuchen Sie es doch mal außergerichtlich. Unsere Methoden sind hier nicht die besten, die man Ihnen anbieten kann. Sie brauchen ein Stück mehr Zeit und andere Themen, die auch eingebracht werden können, um zu einer vernünftigen Lösung zu finden.“ Das heißt, wir haben bereits jetzt eine Art verwiesene Mediation.

Die ÖRA bietet Mediationen im Bereich Familie und Arbeitswelt an. Warum sind das Gebiete, für die sich Mediation besonders eignet?

Das hat etwas mit der Qualifikation derer zu tun, die bei uns arbeiten und der Einschätzung, dass sich Mediation besonders eignet, wenn es sich um Beziehungen handelt, die andauern oder bei denen es notwendig ist, sie auch für die Zukunft zu gestalten. Wenn zum Beispiel ein Paar auseinandergeht, man aber noch als Eltern weiter miteinander agieren muss. Ähnliches gilt für den Arbeitsbereich: Etwa Umstrukturierungen am Arbeitsplatz, Konflikte zwischen Betriebsrat und Personalabteilung oder Kollegen.

Und welche Konflikte sind für Mediation eher ungeeignet?

Der Rechtsweg ist der bessere, wenn es um die Entscheidung eines Ja oder Nein geht: Gilt dieser Paragraph oder nicht. Manchmal gilt das auch für Verbraucherstreitigkeiten, wo es auch mal darum geht, dass durch alle Instanzen durchgestritten wird, damit es eine Grundsatzentscheidung zum Schutz vieler anderer Verbraucher gibt. Dann ist es nicht sinnvoll, dass sich Verbraucher X mit Bank Y einigt. Mediation geht nicht ohne ein funktionierendes Rechtssystem und umgekehrt stößt das Rechtssystem inhaltlich oft an seine Grenzen und braucht andere Methoden.

Mediator, Mediatorin ist kein geschützter Begriff. Wie stellt man trotzdem sicher, dass man an einen kompetenten Vermittler gerät?

Österreich hat ein Mediationsgesetz verabschiedet, durch das die Qualifikation der Mediatoren gesichert ist. In Deutschland hat man, was aber für den Verbraucher nicht sonderlich transparent ist, Kürzel wie Mediator BAFM. Das heißt, dass diese Mediatoren eine akademische Ausbildung haben, dass sie Erfahrung in ihrem ursprünglichen Beruf haben und anschließend eine etwa zweijährige Ausbildung über mindestens 200 Stunden und darüber hinaus erste Praxiserfahrung in der Supervision gemacht haben. Dann bekommen sie das Zertifikat BAFM, das auch unsere Mediatoren besitzen.

Das heißt, ein Jurastudium ist nicht Voraussetzung für die Tätigkeit als Mediator?

Nein, die Ausbildung ist interdisziplinär. Unter denjenigen, die ich zur Zeit mitbetreue, sind rund die Hälfte Juristen, die übrigen sind Psychologen, Sozialarbeiter, Ärzte oder in Betriebsräten – also Berufe, die mit der Regulierung von Beziehungen zu tun haben. Es ist ganz bewusst interdisziplinär angelegt, um von den anderen Teilnehmern und ihrer Sichtweise zu lernen

Wie teuer ist ein Mediationsverfahren?

Das ist sehr verschieden. Bei uns kostet eine ein- bis zweistündige Sitzung, und damit liegen wir eher im unteren Bereich, 130 Euro. Das kann für Leute mit wenig Geld heruntergestuft werden bis zu einem Mindestbetrag von 25 Euro.

Mediation ist ein Verfahren zur Konfliktlösung, bei dem die Konfliktparteien mit Unterstützung einer dritten, unparteiischen Person nach einer gütlichen Einigung suchen. Neben Familien- und Arbeitsplatzproblemen wird sie auch in der Wirtschaft, bei Konflikten im öffentlichen Raum oder im Täter-Opfer-Ausgleich angewandt. In der ÖRA ist der Ablauf folgender: In einem ersten Gespräch werden die Rahmenbedingungen geklärt. Anschließend folgt ein kostenloses Informationsgespräch für die Konfliktparteien unter Leitung des Mediators, bei dem geklärt wird, ob Mediation das geeignete Verfahren ist. Wählt man die Mediation, gibt es eine schriftliche Vereinbarung über das Verfahren. Am Ende soll ein schriftlicher Vertrag zwischen beiden Parteien stehen.

Mehr Informationen unter: www.fhh.hamburg.de/stadt/Aktuell/behoerden/soziales-familie/oera/start.htmls

Noch führt Mediation ein Nischendasein – wenn auch mit steigender Tendenz. Fürchten die Leute, sie müssten besonders redegewandt dafür sein?

Das mag für manche zutreffen. Wobei einer der Grundsätze unseres Konzepts die so genannte volle Informiertheit über alle entscheidungserheblichen Tatsachen ist. Das bedeutet auch, dass man voll informiert sein muss, um einen Vertrag zu schließen, wie er am Ende einer Mediation steht. Auch durch die anwaltliche Seite, entweder, indem die Anwälte mit im Raum sind – wobei sie dann im Hintergrund beraten und nicht, wie vor Gericht, im Vordergrund vertreten. Wenn sie nicht dabei sind, wird vor Unterschrift der Abschlussvereinbarung der Entwurf von den jeweiligen Anwälten noch einmal geprüft.

Wie groß ist die Bereitschaft der Anwälte, sich dafür zur Verfügung zu stellen?

In Hamburg haben wir nach zehn Jahren Arbeit ein Netzwerk: Die Anwälte haben auch etwas davon, wenn sie beraten und nicht vor Gericht vertreten. Sie rechnen dann nach Stundensatz ab – und es ist eine sehr befriedigende Arbeit.

Wie stark wächst der Bedarf an Mediation?

Für uns kann ich sagen: Als wir damit vor zehn Jahren anfingen, hatten wir ein bis zwei Anfragen dazu pro Monat, heute sind es rund 120.