Friede den Greisen

Nach dem Outing eines Wehrmachtssoldaten als Kriegverbrecher analysieren Antifas die öffentlichen Reaktionen

Der öffentliche Schulterschluss mit den einstigen Nazi-Militärs trete immer ein, wenn im Ausland verurteilte NS-Kriegsverbrecher hierzulande aus der Anonymität gerissen werden. So lautet die These des Arbeitskreises „Keine Ruhe den Kriegsverbrechern“, die von der Gruppe am Donnerstag in der Villa Ichon zur Diskussion gestellt wurde.

Mit Bezug auch auf einen Bremer Fall: Im Dezember hatte sie zur Kundgebung vor dem Haus des 85-jährigen einstigen Wehrmachtsunteroffiziers Max Milde im Steintor aufgerufen. Dabei wurden Flugblätter an dessen Nachbarn verteilt. Diese informierten, dass der pensionierte Polizist in Italien zu lebenslanger Haft verurteilt ist. Grund: Die Beteiligung an einem Massaker in der Toskana im Juni 1944. Dabei waren 207 ZivilistInnen in einer Kirche zusammengetrieben und erschossen worden. Milde hatte den Vorwurf zurückgewiesen.

Was danach geschah, habe in exemplarischer Weise den Erfahrungen bei ähnlichen Aktionen in anderen Städten entsprochen, so eine Sprecherin des Arbeitskreises. „Es gibt immer die gleichen Entlastungsstrategien.“

So tauche „plötzlich der entscheidende Entlastungszeuge“ auf. Dies geschah auch im Fall Milde. Hier hatte noch am Tag der Aktion die Anwältin in Interviews behauptet, dass eine Partisanin ausgesagt habe, Milde hätte sie in der Zeit des Massakers bewacht, also nicht an den Erschießungen teilnehmen können. Die Medien hätten über diesen entlastenden Umstand umfassend berichtet. Nachdem sich später herausgestellt hatte, dass sich ein solches Alibi aus der Aussage der Partisanin nicht herauslesen lässt, sei dies nur von einer einzigen Zeitung – der taz – korrigiert worden.

Dann gebe es den „Keiner hat geschossen“-Stereotyp: Auffällig häufig würden NS-Soldaten sich später als Funker, Musiker, Köche oder Wachposten, die nie geschossen haben, ausgeben. Auch bei Milde sei darauf verwiesen worden, dass er „nur bewacht“ habe und Teil eines Musikkorps gewesen sei. Das war jedoch schon ein halbes Jahr vor dem Massaker aufgelöst worden. „Für uns wäre aber selbst dann jemand Täter, wenn er zum Vernichtungskrieg einfach nur die passende Musik spielt.“

Schließlich, so die Sprecherin des Arbeitskreises, gebe es den „Kleine Jungs – alte Männer“-Stereotyp. Es werde stets argumentiert, dass die Täter damals noch „halbe Kinder“ – Milde war 21 – gewesen, heute aber „arme Greise“ seien. Und die möge man doch bitte an ihrem Lebensabend in Frieden lassen. cja