Die perfekte Stabwechselmesse

Die Niedersachsen-CDU kürt David McAllister mit satten 98,9 Prozent der Delegiertenstimmen zu ihrem neuen Chef. Die Partei soll sich nun für Migranten, Frauen und Jugendliche öffnen und Vorgänger Wulff bekommt ein Tandem

Ab 14.41 Uhr steigert sich das rhythmische Klatschen im Celler Kongress-Zentrum zu einem kleinen dreiminütigen Rausch: 371-mal Ja, viermal Nein, satte 98,9 Prozent. Das Ergebnis, mit dem David McAllister gerade zum neuen Chef der Niedersachsen-CDU gewählt wurde, ist noch besser als das von Christian Wulff, der 2006 noch 12 Nein-Voten einstecken musste. Machtübergabe geglückt, Niedersachsens Ministerpräsident hat nach 14 Jahren den Vorsitz der Landes-CDU geräumt. Das Feld ist bestellt, falls der 48-Jährige nach der Bundestagswahl im Herbst 2009 nach Berlin gehen sollte. Er werde sich „voll einbringen an der Seite von Angela Merkel“, sagt Wulff, der sich künftig als Wirtschaftspapst der Union gerieren will. Offenbar ein ungedeckter Wechsel: Merkel hat sich noch nicht vernehmlich über ihren neuen Friedrich Merz gefreut.

In Celle spielt Bundespolitik aber nur eine untergeordnete Rolle: Ein Antrag zur Wiedereinführung der Pendlerpauschale, der das Kanzleramt in die Bredouille gebracht hätte, wird vertagt. Dafür inszeniert die CDU eine perfekte Stabwechselmesse. Wulff bekommt einen rührseligen Film und ein Tandem als Abschiedsgeschenk. Er ist erleichtert, „dass ich vorne lenken darf und hinten einen zum Treten habe“, sagt Wulff und betont wie immer, dass er noch ewig Regierungschef in Niedersachsen bleiben wolle. McAllister, der lange blass und hibbelig neben Wulff gesessen hatte, ist später „überwältigt“ von seinem Ergebnis. Obwohl SED-Einheitsparteitage kaum anders abstimmten, drischt er wie vor ihm Wulff auf die „schleichende Akzeptanz von Linkspopulisten ein“. Kein Zweifel: Der neue Gegner der CDU heißt Linkspartei, kaum noch Schwächel-SPD.

In seiner Bewerbungsrede gibt McAllister, sonst eher auf Schützenfesten als auf Golfplätzen zu Hause, weniger Haudrauf als gewohnt. Er könne mit dem Säbel, sogar mit der Axt streiten, sagt der 37-jährige Rechtsanwalt aus Bad Bederkesa, „aber auch mit dem Florett“. Zuvor versuchte er vor den Delegierten ein gewagtes Polit-Crossover, das alle mitnehmen soll, den CDU-Bauern aus dem Oldenburger Land wie den christdemokratischen Freiberufler aus Hannover. So rühmt McAllister seine Vorbilder, „prinzipientreue Staatsmänner wie Ronald Reagan, Margret Thatcher und Helmut Kohl“, die mit dem Nato-Doppelbeschluss den Fall der Mauer eingeleitet hätten.

Gleichzeitig kündigt er an, die Partei, deren Mitgliederzahl sich seit 2006 um 3.000 auf 75.000 dezimiert hat, zu öffnen: Für Frauen, für Senioren, für den „Riesenschatz“ der CDU, die Junge Union und die Schülerunion. Und für Migranten: McAllister, schottischer Vater, deutsche Mutter und öfters im Kilt zu sehen, sagt: „Ich gehöre zur kleinen deutsch-schottischen Minderheit“. Die CDU müsse auch für Menschen mit Migrationshintergrund da sein: Deutsch-Türken, die sich bei der Kommunalwahl 2011 für die CDU engagieren wollten, begrüße er „mit offenen Armen“. KAI SCHÖNEBERG