berliner szenen Echte Alphamädchen

In der Frauen-WG

Kathrin lässt sich die Haare schneiden. Dafür geht sie zu Patti, die wiederum mit Moni und Susanne in einer WG am Rosenthaler Platz wohnt und sich außerdem einen Friseursalon ins Wohnzimmer gebaut hatte. Wie ich an jenem Abend dort hinkam, weiß ich nicht mehr genau, aber wenn es Klischees über Mädels gibt, dann wurden sie hier – bei diesen aufgeschlossenen und selbstbewussten Frauen – bestätigt. Kathrin saß auf dem Friseurstuhl und bekam gerade eine Packung aus Glibberzeugs in die Haare geschmiert. Patti stand hinter ihr, sie tratschten in bester Hausfrauenmanier. Beide hielten ein Weißweinglas mit entsprechender Füllung in der Hand und Augenkontakt über den monströsen Spiegel. Moni und Susanne saßen auf der Couch, eine aß einen überdimensionalen Pudding und hatte sich das Sofakissen vor den Bauch gepackt, die andere lackierte ihre Fußnägel rot, welche selbstverständlich durch Gummibärchen voneinander getrennt wurden.

Hahn im Korb hin oder her, als Moni „Die fabelhafte Welt der Amélie“ in den DVD-Recorder schob, konnte ich nicht mehr an mich halten. Nach meinem Lachanfall beschloss ich, in der Bar gegenüber zu warten, um die Damen so zu erleben, wie ich es gewohnt war: über allem stehend und megapatent. Wahrscheinlich verpasste ich durch mein Flüchten die Stelle, an der alle „you make me feel like a natural woman“ in Bürsten und Haarspraydosen sangen. Wie durch Zauberhand waren sie auf unserem nächtlichen Streifzug wieder zu den Hipstergirls geworden, als die ich sie kennen gelernt hatte. Bei so vielen Top-Secrets wird es Zeit für ein Geständnis: während all diese Dinge geschahen, las ich das auf dem Wohnzimmertisch platzierte Buch „Feuchtgebiete“. JURI STERNBURG