Flucht in Nollywood

In Nigeria boomt die Filmindustrie: Mit „Across the Niger“ kommt einer der dortigen Filmerfolge ins Arsenal

In Nigeria, dem bevölkerungsreichsten Land Afrikas, werden jährlich über 2.000 Filme gedreht. Das ist Weltrekord. Manche dieser extrem populären Low-Budget-Home-Video-Filme werden in einer Woche weggedreht, auf Video und ausschließlich für den eigenen Markt. Manche Videos werden 200.000-mal verkauft. Außerdem natürlich auch verliehen und illegal kopiert.

Die Filme aus „Nollywood“ seien eine „hybride Kreuzung aus Kino und Fernsehen“, schreibt die Filmexpertin Dorothee Wenner, die kürzlich auch einen eigenen Dokumentarfilm – „Peace Mission“ (2008) – über dies Phänomen gedreht hat. Elemente aus Bollywood, amerikanischen Horrorfilmen, lateinamerikanischen Telenovelas und dem Wandertheater der Yorubas würden zu einem abenteuerlichen Synkretismus zusammengeführt. Mittlerweile ist die Filmindustrie nach der Ölindustrie zu Nigerias zweitgrößtem Arbeitsmarkt geworden

2004 wurden im Beiprogramm der Berlinale einige dieser Filme im HAU 2 vorgestellt. Damals hatte ich den nigerianischen Starregisseur Jeta Amata gefragt, ob man in Nigeria nicht auch mal für den internationalen Markt drehen wolle, und er hatte geantwortet: „Wozu? Wir machen das für unsere Leute und uns ist es egal, was die anderen über unsere Filme denken.“

Zur Vorlesungsreihe des Kunsthistorischen Instituts der FU Berlin „Transkulturelle Perspektiven afrikanischer Kunst/Geschichte“ zeigt das „Arsenal“-Kino nun den Nollywood-Film „Across the Niger“ (2005) des Regisseurs Kingsley Ogoro. Ein seltenes Ereignis. Nollywoodfilme gibt es hier im Kino so gut wie nie zu sehen. Allerdings schaut man sie sich auch dort im Allgemeinen nicht im Kino (es gibt gerade einmal 110 in ganz Afrika), sondern als Video an.

Ogoros Film begegnet einer Kritik, die noch vor einigen Jahren häufig gegenüber den Filmemachern Nollywoods erhoben wurde: sich nicht für Politik und Geschichte zu interessieren. Die Geschichte, die Ogoros Film erzählt, spielt 1967, zu Beginn des sogenannten Biafrakrieges, bei dem bis 1970 etwa 2 Millionen Menschen umkamen. Ein Offizier der nigerianischen Armee, der in der nördlichen Region des Landes Hausa-Fulani stationiert ist, flüchtet nach Ausbruch des Bürgerkriegs zusammen mit seiner Frau in das Gebiet seiner Herkunft, den Osten des Landes. Sie durchqueren feindliches Gebiet.

„Zu Hause“ wird seine Frau angefeindet, weil sie der falschen Ethnie angehört. „Across the Niger“ ist ein emotional sehr direkter, recht übersichtlich gestalteter, zuweilen auch ganz flashiger Antikriegsfilm, mit schöner Musik auch, der in Nigeria sehr gefeiert wurde. Der Reiz, diesen Film zu gucken, besteht unter anderem darin, sich in nigerianische Zuschauer hineinzuversetzen, die solche Filme toll finden.

Im Abspann des Films stehen die Worte: „I believe Nigeria will there be one day the greatest Nation“. Bei der Premiere 2005 in der Hauptstadt Abuja waren der damalige Präsident Olasegun Obasanjo sowie viele seiner Minister anwesend. Bei der Aufführung im Arsenal wird der Regisseur Kingsley Ogoro zugegen sein. DETLEF KUHLBRODT

„Across the Niger“, heute 21 Uhr im Arsenal. Am Do., 19. 6., läuft in der Werkstatt der Kulturen vom gleichen Regisseur „Widow“ um 19 Uhr