Nah genug dran

Die Osnabrücker Ausstellung „Robert Capa – Images of war“ zeigt, wie der Kriegsfotograf und Mitbegründer der Fotoagentur Magnum die Perfektion erzielte, für die er berühmt war. Sogar den Vorwurf der Fälschung musste er sich gefallen lassen

AUS OSNABRÜCK ANNE REINERT

Selbst wenige Momente vor seinem Tod schoss Robert Capa noch ein Foto. Ein letztes Mal drückte er auf den Auslöser seiner Kamera, um französische Soldaten im Vietnamkrieg zu fotografieren. Nur wenige Sekunden später trat er auf eine Mine. Das war am 25. Mai 1954 um 14.55 Uhr.

Dieser Tod sagt viel aus über den amerikanischen Fotografen und Mitbegründer der Fotoagentur Magnum. Denn Robert Capa war immer mittendrin. Er folgte den alliierten Soldaten bei der Invasion in der Normandie am Ende des Zweiten Weltkriegs, er fotografierte den spanischen Bürgerkrieg und machte dabei sein wohl berühmtestes Foto: das eines gerade sterbenden Soldaten. „Wenn deine Fotos nicht gut genug sind“, lautete Capas Motto, „warst du nicht nah genug dran.“

Robert Capas letzte Aufnahme aus dem Vietnamkrieg bildet auch den Abschluss einer Ausstellung, die jetzt im Erich Maria Remarque-Friedenszentrum und dem Felix-Nussbaum-Haus in Osnabrück zu sehen ist. „Robert Capa – Images of war“ ist eine von Magnum Photo konzipierte Wanderausstellung, die auch schon in Stockholm und Oslo zu sehen war. Bis September wird sie jetzt in norddeutschen Gefilden gezeigt, danach geht sie zurück nach Paris.

Die je 49 Bilder an den beiden Ausstellungsorten vollziehen die Entwicklung des 1913 in Budapest als Endre Ernó Friedmann geborenen Sohnes einer jüdischen Schneiderfamilie nach. Zwischen 1931 und 1933 studierte er Politikwissenschaften in Berlin und arbeitete in dieser Zeit als Film- und Fotoassistent. 1932 veröffentlichte er in einer Berliner Zeitung sein erstes Bild. Es zeigt Leo Trotzki bei einem Vortrag über die russische Revolution vor dänischen Studierenden.

Gleich mit diesem ersten Bild verdeutlichen die Ausstellungsmacher, wie Robert Capa arbeitete. Denn daneben hängt ein Abdruck der vielen Negative und damit der vielen Aufnahmen, die Robert Capa tatsächlich von diesem Auftritt gemacht hatte. Nicht immer wählte er das technisch perfekteste Bild. Gerade unter den Aufnahmen der Invasion in der Normandie suchte er sich fehlerhafte, verwackelte Entwicklungen aus, die die Dramatik der Situation versinnbildlichten. Diese Technik machte Foto- und Filmgeschichte.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten floh Capa aus Deutschland. Er machte Bilder an der französischen Volksfront, im spanischen Bürgerkrieg und dokumentierte den chinesischen Widerstand gegen die japanische Besetzung. Nach seiner Übersiedlung in die USA 1939 arbeitete er als Kriegsberichterstatter für die Magazine Life und Collier‘s. Er folgte amerikanischen Soldaten nach Nordafrika, nach Italien und war schließlich auch in der Normandie. In der Magnum-Ausstellung kommen außerdem Porträts von Schriftstellern, Schauspielern und Malern dazu. Darunter sind Bilder von Truman Capote, Picasso und Ernest Hemingway.

Doch es gibt auch Bilder, die auf den ersten Blick weit weniger dramatisch wirken. Etwa das eines alten Ehepaares, das während der Bombenangriffe auf London Schutz in einem Bunker sucht. In aller Vertrautheit sitzen die beiden bei einer Tasse Tee. Wäre die kahle Umgebung des Bunkers nicht, es entstünde der Eindruck, die Welt sei völlig in Ordnung.

Robert Capas Fotos sind Abbilder realer Situationen und doch perfekt komponiert. Möglicherweise war es diese Perfektion, die ihm den Vorwurf einbrachte, das Bild seines im spanischen Bürgerkrieg sterbenden Soldaten sei nicht authentisch. Was sagen dazu die Ausstellungskuratoren in Osnabrück? Diesen Vorwurf gebe es in der Fotografie immer wieder, sagt Thomas Schneider, Leiter des Remarque-Friedenszentrums. Doch ob echt oder unecht, sei letzten Endes nicht entscheidend. „Das Bild ist zu einer Antikriegsikone geworden“, sagt Schneider. Das sei alles, was zähle.

„Robert Capa – Images of war“: Ausstellung im Erich Maria Remarque-Friedenszentrum und Felix-Nussbaum-Haus Osnabrück, bis 7. September, Öffnungszeiten: Di bis Fr 11 bis 18 Uhr, Sa und So 10 bis 18 Uhr (Nussbaum-Haus), Di bis Fr 10 bis 13 Uhr und 15 bis 17 Uhr, Sa und So 11 bis 17 Uhr

Fotohinweise:Robert Capa war immer ganz nah dran, sei es bei der Landung der Alliierten in der Normandie (links) oder in dem Augenblick, wo der Annäherungsversuch des Soldaten schon auf Gegenliebe stößt – oder noch nicht auf Widerstand

Capas wohl berühmtestes Foto, das einen Soldat im Spanischen Bürgerkrieg zeigt, der stirbt, könnte gefälscht sein, meinen Kritiker des Fotografen. Egal, sagen die Ausstellungsmacher in Osnabrück. Auf die ikonografische Wirkung komme es an. FOTOS (3): ROBERT CAPA © 2001 BY CORNELL CAPA