Die Sandkoralle hält keinen Bagger auf

Verwaltungsgericht Oldenburg weist die Klage von Umweltschützern gegen den Jade-Weser-Port zurück. Der Bund Umwelt und Naturschutz (BUND) und der WWF waren vor der Klageerhebung abgesprungen

VON BENNO SCHIRRMEISTER

Der Versuch, den Jade-Weser-Port bergbaurechtlich zu stoppen, ist zum Scheitern verurteilt. Das wird spätestens klar, als Manfred Braatz, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Oldenburg die etwas abenteuerliche Einschätzung abgibt, ein Gutachten, das mehr Variablen und die komplexen Zusammenhänge berücksichtigte, würde eine Prognose ergeben, „die an ein Orakel grenzt“. Wobei Richter Braatz durchblicken lässt, dass er wenigstens nicht an Orakel glaubt.

Entsprechend weist die fünfte Kammer zunächst die Beweisanträge des Landesverbands Bürgerinitiativen Umweltschutz (LBU), dann, am späten Nachmittag, die gesamte Klage und auch den Antrag auf vorläufigen Baustopp zurück.

Es darf also weiter gebaggert werden vor Wilhelmshaven, und auch die vorm Oberverwaltungsgericht in Lüneburg noch anhängigen Verfahren bereiten der Jade-Weser-Port-Realisierungsgesellschaft „keine Bauchschmerzen“, so ihr Prozessbevollmächtigter Martin Gellermann. „Die Behörden haben einfach gut gearbeitet“, begründet der Umweltrechts-Experte seine Zuversicht, „das findet nicht zuletzt Ausdruck in einem 1.200 Seiten starken Planfeststellungsbeschluss.“

Das gestrige Verfahren war, so die Einschätzung von Richter Braatz „vielleicht nur der kleinste Baustein im Gesamtkomplex“. Es hätte gleichwohl den Fortgang des Milliardenprojekts empfindlich ins Stocken bringen und erheblich verteuern können: Ziel war, den Abbau des für den Tiefwasserhafen benötigten Sandes zu stoppen. Auch, um die Sandkorallen in der Jade zu retten. „Von Sandkorallen ist in den Schriftsätzen gar nicht die Rede?“, fragt Richter Braatz nach. Doch, doch, aber da steht Sabellaria spinulosa, das ist ihr gelehrter Name, und kurzzeitig entspinnt sich ein Redegefecht zwischen Gellermann und Klägeranwalt Joachim Musch, ob diese eine besonders schützenswerte Art ist. Aber das spielt ohnehin keine Rolle. Die Sandkoralle hat keine Chance gegen die Bagger.

Während die übrigen Klagen in erster Linie Bundeswasserstraßenrecht betreffen, wurden die Ausbaggerungen auf Basis des Bundesbergbau-Gesetzes genehmigt: Aus zwei Abbaufeldern östlich des Stadtteils Voslapp will man gut 47 Millionen Tonnen Sand gewinnen, mehr als sämtliche Kitas der Bundesrepublik Deutschland in ihren Sandkisten schaufeln können.

Der LBU hält den Abbau für unnötig – und für gefährlich. Unnötig, weil der Sand auch anderswo gewonnen werden könne, erläutert LBU-Vorstand Jochen Martin. Gefährlich, weil die Ausbaggerung die Strömungen verändere, zu Prielbildungen führe und so die Deichsicherheit aufs Spiel setze. Vorwurf, auf den Gellermann recht vehement reagiert: „Gerade da haben wir nichts anbrennen lassen“, sagt er. Es gebe ein kontinuierliches Monitoring und jederzeit die Möglichkeit, mit geeigneten Maßnahmen auf die Messungen zu reagieren.

„Die Maßnahmen sind aber nicht inhaltlich gefüllt“, kontert LBU-Anwalt Musch. In den Unterlagen von Genehmigungsbehörde und JWP sei nicht ersichtlich, an was bei untermeerischen Erdrutschen gedacht ist: „Da ist von Spundwänden die Rede“, so Musch, „das klingt für mich hilflos.“ In 36 Meter Tiefe sei man da – „da hält keine Spundwand“.

Allerdings: Das Verfahren steht für die Naturschützer unter keinem guten Stern. Um die Eingaben zu Flora und Fauna hätten sich der Bund Umwelt und Naturschutz (BUND) und der WWF kümmern sollen. Bloß war der vor Klageerhebung abgesprungen. „Ich bin gar nicht so gut auf die zu sprechen“, sagt Musch vor der Verhandlung.

In deren Verlauf wird klar, weshalb: Dass die Sandaufwirbelungen – der LBU erwartet rund 2,6 Millionen Tonnen neuer Sedimente – die Sonneneinstrahlung mindern, was Auswirkungen auf Flora und Fauna der Jade, aber auch des angrenzenden Nationalparks Wattenmeer haben dürfte, das klingt ja durchaus plausibel. Aber im Planfeststellungsverfahren hatte der LBU nun bloß die hydrologische Kritik vortragen können. Folge: Die in der Klageschrift artikulierte Sorge um Makrozoobentos und Sandkorallen – das alles verhallt ungehört: Es ist zu spät benannt – oder präkludiert, wie es in Juristendeutsch heißt. Das Gericht darf darauf gar nicht eingehen.

Andererseits speisen sich ihre Einwände aus einem eher virtuellen Gutachten: Wasserbau-Prof Ulrich Zanke aus Darmstadt hatte bei Erörterungsterminen die vom Bergbauamt genutzte Expertise der Bundesanstalt für Wasserbau als zu oberflächlich gerügt. Tatsächlich war deren Datenbasis durch nur zwei Wochen Messungen erstellt worden. Zanke hingegen hatte – für die Gemeinde Butjadingen – ein gutes Jahr lang die Dynamik der Jadebucht beobachtet. Er prognostiziert massive und unumkehrbare Schäden für Hydromorphologie und Ökosystem infolge des geplanten Sandabbaus. Bloß: Verschriftlicht hat er das nicht. Und ihn als Zeugen zu laden – das lehnte das Gericht ab.