Mit asthmatischem Timbre

Viele Schlager der vergangenen 80 Jahre, flotte Begleitmusik, der Rest sind prima niveaulose Witze: Katharina Thalbach und Andreja Schneider locken zur lustigen Liederrevue in der Bar jeder Vernunft

VON JENNI ZYLKA

Wie ein Häufchen Elend sitzt sie da, die Haare strähnig im Gesicht, die Plauze schwer auf den Knien, die Mundwinkel nach unten gezogen. „Der Onkel Doktor hat gesagt, ich darf nicht küssen. Ich hab dazu ein viel zu schwaches Herz. Der Onkel Doktor muss das wissen, der sagt doch so was nicht zum Scherz!“, keucht die Frau, die einen Mann spielt, mit asthmatischem Timbre zum gutmütigen Swing der 50er: Im Original ist das Stück von Peter Igelhoff, und es atmet mit jeder Pore den muffig-cleveren Heinz-Erhardt-Humor dieser Zeit.

Katharina Thalbach und Andreja Schneider haben sich richtig eingewühlt in güldene Schlageräras, haben die besten und groteskesten Songs ausgegraben, um ihre Zwei-Frauen-Liederrevue damit auszukleiden: „Zwei auf einer Bank“, das am Dienstag vor einem gewohnt wohlmeinenden Publikum in der Bar jeder Vernunft Premiere hatte, ist ein Poesiealbum der albernsten Schlager der vergangenen 80 Jahre. Doch anstatt die Songs stramm authentisch wie Max Raabe oder grässlich altbacken wie die bedauernswerten überlebenden Original-Schlagerfuzzis vorzutragen, haben sie eine dem aktuellen Varieté angemessene Form gefunden – das Fräulein Schneider gibt die strahlende, mit Locken-Beehive und roten Tanzschuhen aufgemotzte Wuchtbrumme Loreley, Katharina Thalbach den suizidgefährdeten Furzknoten Joachim. Butch und Femme, Romeo und Julia, Peter Kraus und Conny Froboess – all diese Paarsituationen kann man mit etwas gutem Willen in den beiden Damen erkennen, denen kein Kalauer zu unwürdig ist: „Können Sie blasen?“, fragt Joachim seine neue Bankflamme Loreley, als diese mit einer Tuba vor ihm steht. „Nein, aber tuten“, lässt die fallen. Selbst solche Holzhammerbonmots verpuffen selten effektlos, weil Schneider und Thalbach erstens wissen, wie bekloppt die Schlagerjahrzehnte waren, und mit ihrer Revue gleichzeitig Hommage und böse Parodie an diese Zeit liefern. Und zweitens ist die Selbstironie beider Schauspielerinnen so eminent, dass nie die Gefahr besteht, sie würden auch nur eins der Aperçus zu ernst nehmen: „Kochen und Essen sind neben Lieben und Lesen zwei meiner Lieblingsbeschäftigungen“, stellt Loreley beseelt fest, um dann gleich weiterzusummen: „Schlank auf einer Bank!“

Drum herum strickt sich, wie in Revuen üblich, nicht unbedingt die allerdickste Geschichte. Loreley meets Joachim, hält ihn vom liebeskummerbedingten Selbstmord ab und erobert im Laufe des Abends sein Herz bzw. lässt das ihre von dem Männeken erobern. Doch das Christoph-Israel-Sextett mitsamt „erster und einziger Geige“ und perlender Harfe spielt schmelzend-flotte Begleitmusik, der Rest sind Witze. Prima niveaulose und alberne Witze, wie sie manchmal nur unter Frauen goutiert werden oder unter Männern, die die Frau in sich gut kennen: „Böse Worte! Böse Worte! Böse Worte!“, zickt Schneider alias Loreley, wann immer Joachim ihr gegen den Strich redet, und wedelt mit der Hand aufgeregt in der Luft herum. „Und jetzt: Merkworte! Merkworte! Merkworte!“

Dass Schneider und Thalbach nebenbei noch tiefschwarze Songs wie „Das Krüppellied“ des 1942 im KZ ermordeten Wiener Kabarettisten und Erfinder des Blitzdichtens (auf Zuruf Parodien) Peter Hammerschlag verewigen oder obskure Sprachspielstücke wie „Einmal im Mai“ aufführen, zeigt, wie umfassend sich die beiden, die sich von einem Gastauftritt Frau Thalbachs bei den Geschwister Pfistern kannten, mit der Materie beschäftigt haben. Sie bilden die gleichermaßen talentierte wie respektlose Allianz, die nötig ist, um die romantischen Sottisen aus allen Zeiten angemessen auf die Bühne zu bringen. Thalbachs heisere Sprechstimme kann dabei meistens den nötigen, absurden Kontrast zu Schneiders durchdringender Bühnenpräsenz liefern, Thalbachs fußstampfendes Overacting gibt jedes noch so kleine Detail zum Gackern frei. Zwischen den Songs geben sie sich Stichwörter und Zitate in die Hand und schwirren um das kleine Parkbank-Bühnenbild mit den leise zitternden Bäumen herum wie aufgedrehte Schmetterlinge.

Man braucht von dem Abend nichts mit nach Hause zu nehmen. Schneider und Thalbach bewegen sich auf glattestem Unterhaltungsparkett, weit entfernt von dem, wie Thalbach in ernsten Rollen sonst arbeitet. Aber: Man braucht sich auch kein bisschen zu langweilen.

Nächste Vorstellungen: 20., 21., 22., 24. 6., jeweils 20 Uhr