Dialog gegen Haider

In Kärnten haben sich Vertreter der Deutschkärntner Mehrheit und der slowenischen Minderheit zum Gespräch getroffen und das Ergebnis in einem beeindruckenden Buch veröffentlicht

Ein Tabubruch kann Konflikte in den eigenen Reihen nach sich ziehen. Diese Erfahrung mussten Marjan Sturm vom Zentralverband slowenischer Organisationen und Josef Feldner, der Obmann des Kärntner Heimatdienstes, machen. Denn sie setzten sich nicht nur miteinander an einen Tisch, sondern dokumentierten das Gespräch auch noch in einem Buch.

Weil der Heimatdienst auf der einen und die Slowenenvertretungen auf der anderen Seite den konstruktiven Dialog verweigert haben, ist der Streit über zweisprachige Ortstafeln in Unterkärnten noch immer nicht beigelegt. Landeshauptmann Jörg Haider ersinnt immer wieder neue Wege, um der ordnungsgemäßen Beschilderung auszuweichen und den Konflikt am Köcheln zu halten. Dass die Spannungen zwischen der Deutschkärntner Mehrheit und der slowenischen Volksgruppe längst nicht mehr so stark sind, belegt dieses Buch mit dem programmatischen Titel „Kärnten neu denken“. Es ist ein Indiz für die zunehmende Verständigung.

Marjan Sturm und Josef Feldner, zwei der prominentesten Exponenten ihrer Volksgruppen, unternehmen es, Kärnten neu zu denken. In einem moderierten Dialog nach der Methode des norwegischen Friedensforschers Johan Galtung entdecken die beiden Antagonisten immer mehr Gemeinsamkeiten. Feldner und Sturm sind nicht erst durch dieses Buch einander nähergekommen. Schon seit Jahren haben sie eine vernünftige Gesprächsbasis, die es erlaubt, den Standpunkt des jeweils anderen zwar nicht zu teilen, aber nachzuvollziehen.

Auf diese Weise bemühen sie sich, das einseitige Geschichtsverständnis aufzubrechen, das auf beiden Seiten über Generationen weitergegeben und gepflegt wurde. Erinnerung an den Abwehrkampf und die Übergriffe der Tito-Partisanen auf der einen Seite und das Trauma des Assimilierungsdrucks und der Deportationen während der NS-Zeit auf der anderen Seite werden nicht mehr gegeneinander aufgerechnet, sondern als mythenbildende Faktoren erkannt. An der Aufarbeitung der Geschichte führt für Feldner kein Weg vorbei: „Die Meinung über den jeweils anderen wird nicht aufgrund von persönlicher Erfahrung gebildet, sondern aufgrund dessen, was man von dritter Seite erfahren hat.“

Bemerkenswert, dass die beiden einander in der Analyse häufiger zustimmen als widersprechen. Etwa wenn Marjan Sturm über Politiker klagt, die „alte Versatzstücke aus der Geschichte instrumentalisieren und damit um Stimmen kämpfen“. Oder wenn er die Meinung vertritt, dass sich die Kärntner Kultur in zwei Sprachen widerspiegele. Feldner hält auch nichts von einer Minderheitenfeststellung, wie sie Haider immer wieder zum Nachweis der Schrumpfung der Volksgruppe fordert. Beide setzen ihre Hoffnungen in die junge Generation, die in einem Klima größerer Weltoffenheit heranwachsen soll.

Das Herausgeberpaar Gudrun Kramer und Wilfried Graf, das die Themen vorgibt und behutsam moderierend eingreift, hat die Methode der integrativen Konfliktbearbeitung schon in Ländern wie Sri Lanka und Uganda erprobt, wo blutige Kriege toben. Nicht ohne Unbehagen haben sie sich auf Kärnten eingelassen, wo die Intervention von Außenstehenden von vielen als unwillkommene Einmischung gesehen wird. Nach dem Grundsatz: „Was versteht schon ein Fremder?“

Der Moderationsversuch zeigt aber, dass die beiden Standpunkte gar nicht so weit auseinanderliegen. Wann sich die versöhnliche Haltung von Feldner und Sturm durchsetzen kann, bleibt allerdings abzuwarten. Jörg Haider stieß sich schon am Titel des Buches. Ein „Neu denken“ passt ihm politisch nicht in den Kram. Und auch in ihren jeweiligen Lagern sind die Obmänner nicht unumstritten. Feldner wurde von Deutschnationalen bereits als Verräter gebrandmarkt, und Sturm provozierte mit seiner Kompromissbereitschaft einen Aufstand der Linken und von Teilen der Slowenenverbände. RALF LEONHARD

Wilfried Graf, Gudrun Kramer (Hg.): „Kärnten neu denken. Zwei Kontrahenten im Dialog“. Drava/Heyn, Klagenfurt 2007, 255 Seiten, 22 Euro