Das Ende des neuen niederländischen Fußballs

Was lief schief bei Viertelfinalverlierer Niederlande? Nach dem 1:3 n. V. gegen Russland rätseln der Trainer, das Team und das Land

BASEL taz ■ Holland hat sein Versprechen der Vorrunde mal wieder nicht eingehalten. Aber, warum nicht? „Wir haben sehr nervös gespielt“, sagte Trainer Marco van Basten, nachdem das 1:3 n. V. gegen Russland feststand. Das war eine freundliche Umschreibung. Es war van Bastens letztes Spiel als Bondscoach. Er geht zu Ajax, Bert van Marwijk, der Ex-BVB-Trainer, übernimmt.

Mit größter Mühe und viel Glück hatten sich die Holländer noch in die Verlängerung geschleppt, dort wurden sie dann aber von den in allen Belangen überlegenen Russen endgültig auseinanderkombiniert. Der Sieg des Außenseiters, „war vollkommen verdient“, musste van Basten anerkennen. Er war ratlos. Außerstande, die Ursachen für den plötzlichen Verlust der großen Spielfreude, der Geschwindigkeit, der fußballerischen Brillanz der erste Partien zu benennen. Nur die Symptome konnte er greifen, sprach von „physischen Problemen“, verstand aber auch nicht, woher sie kamen. Schließlich hatten die Holländer mehr Erholungszeit gehabt und die wichtigsten Spieler im dritten Vorrundenspiel geschont. „Wir haben nie richtig Fußball gespielt, nie wirklich an diesem Spiel teilgenommen. Es war schon erstaunlich, dass wir so lange ein 0:0 hielten“, analysierte van Basten. Sie brauchten einen Freistoß, um kurz vor dem Ende der regulären Spielzeit auszugleichen. Ruud van Nistelrooy traf per Kopf (86.), und für einen Moment kursierte der Gedanke, dass dieses neue Holland des Marco van Basten ein bisschen so geworden sein könnte wie das alte Deutschland: schlecht spielen, gegen einen Gegner, der fahrlässig Chancen vergibt, und am Ende glücklicher Sieger sein. Womöglich sogar im Elfmeterschießen, das hätte das neue Holland komplett gemacht.

Doch dafür waren die Russen einfach zu gut, und es ging einfach zu viel schief. Speziell auch der Versuch, Khalid Boularouz spielen zu lassen, obwohl er gerade einen persönlichen Schicksalsschlag erlitten hatte. Der Verteidiger war hilflos gegen Russlands Arshavin. Aber als van Basten für ihn nach 54 Minuten Heitinga brachte, wurde alles nur noch schlimmer. „Die Holländer hatten nur eine Waffe: Freistöße“, sagte Russlands Trainer Guus Hiddink zufrieden.

Ein Grund für die Lähmung des Favoriten war sicher Hiddinks Wissen über Holland und die daraus resultierende Taktik. Darüber hinaus braucht man vermutlich die Hilfe eines Psychoanalytikers. „So ist Fußball“, sagte Joris Mathijsen hilflos, und der von Schalke umworbene Orlando Engelaar meinte: „Wir wissen auch nicht, was falsch lief.“ Die einzig greifbare Fehlentwicklung war die Leistungskurve, die ganz oben begann und dann praktisch nur noch fallen konnte. DANIEL THEWELEIT