Relikt des Kalten Krieges

SPD und Opposition fordern Abzug US-amerikanischer Atomwaffen. CDU will „nukleare Teilhabe“

BERLIN taz ■ Der SPD-Verteidigungsexperte im Bundestag, Rainer Arnold, bringt es auf den kurzen Nenner: „Wir haben hier einen Koalitionskonflikt.“ Die SPD sei für einen Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland, die Union dagegen. Deshalb bewege sich in dieser Legislaturperiode eben: gar nichts.

Umso ungelegener kommt der Bundesregierung nun die Nachricht, dass laut einer Untersuchung des US-Verteidigungsministeriums die Atomwaffen in Europa nicht nach amerikanischen Sicherheitsstandards gelagert werden. Dies betrifft auch und insbesondere den letzten deutschen Standort, an dem etwa 20 atomare Sprengköpfe liegen: Büchel in der Eifel.

Der Pentagonbericht zählt unter den Beispielen für reparaturbedürftige Anlagen Nebengebäude, Zäune, Beleuchtung und Sicherheitssysteme auf. Als etwas beunruhigend wird vermerkt, dass Soldaten mit nur neunmonatiger Diensterfahrung für den Schutz der Atomsprengköpfe vor Diebstahl zuständig seien. Dies dürfte auf Büchel zielen, sofern die „neun Monate“ als Hinweis auf die deutsche Wehrpflichtdauer zu verstehen sind. Für die äußeren Sicherheitsringe ist in Büchel die Bundeswehr zuständig.

Insgesamt seien die Standorte allerdings nach wie vor als sicher zu bezeichnen, heißt es in dem US-Report, den der dänisch-amerikanische Atomwaffenexperte Hans Kristensen für die Federation of American Scientists mit dem Freedom of Information Act aus dem Pentagon herausgekitzelt hat (www.fas.org). Empfohlen wird eine Vereinheitlichung der Sicherheitsstandards und die Reduzierung der Standorte.

Sämtliche Oppositionsfraktionen im Bundestag nutzten am Montag die Gelegenheit, den Abzug der Atomwaffen aus Deutschland zu fordern. Die Nuklearwaffen in Deutschland „sind Relikte des Kalten Krieges“, ihr Abzug müsse „in den zuständigen Nato-Gremien auf die Tagesordnung“ gesetzt werden“, beschloss das FDP-Präsidium.

Für Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) ist die Lagerung der Atomwaffen in Büchel jedoch Ausdruck der „nuklearen Teilhabe“ der Bundesrepublik. An beidem wird bei CDU/CSU nicht gerüttelt. Deshalb verwies Jung-Sprecher Thomas Raabe gestern auf Anfrage auch nur auf das Weißbuch der Bundeswehr von 2006, in dem die Notwendigkeit der nuklearen Teilhabe gemäß dem Nato-Konzept von 1999 bestätigt wird. Erst wenn die Nato sich „zu gegebenem Zeitpunkt“ ein neues strategisches Konzept schneidert, könne sich hieran etwas ändern.

Konkret besteht die „nukleare Teilhabe“ darin, dass die Bundesrepublik den Kampfflieger Tornado samt Tornado-tauglichen Piloten zur Verfügung stellt, um die US-Sprengköpfe gegebenenfalls zu transportieren. Die SPD verfolgte bis 2005 die Idee, dass sich die Lagerung der Atomwaffen und damit die nukleare Teilhabe mit der für 2012 bis 2015 geplanten Ausmusterung der Tornados wie von selbst erledigen werde. Doch inzwischen gehe man – bei aller Kargheit an Informationen aus dem Verteidigungsministerium – davon aus, dass rund ein Dutzend Tornados auch über 2020 im Einsatz bleiben sollen, erklärt der SPD-Sicherheitspolitiker Hans-Peter Bartels. „Deutsche Piloten sollten aber keinen Atombombenabwurf mehr üben müssen.“

Eine Chance für eine neue Nuklearpolitik der Nato sehen mit Bartels auch andere Sicherheitsexperten im Machtwechsel in den USA. Die zuständige Nato-Arbeitsgruppe tagt im Juni 2009 wieder. Weil bis dahin entweder Barack Obama oder John McCain im Präsidentensattel sitzen dürfte und beide im Wahlkampf entsprechende Ankündigungen gemacht haben, könnte dann das Ende der Atomwaffen in Europa eingeläutet werden.

ULRIKE WINKELMANN