Krise, Fehlanzeige etc.
: Homoki geht, Kosky ist schon da

Wieder einmal macht die kleinste der drei Berliner Opern alles besser als ihre großen Schwestern. An der Bismarckstraße wird dringend ein Chefdirigent gesucht, Unter den Linden ein Intendant, außerdem kracht es gewaltig wegen der fälligen Sanierung des DDR-Stucks im Saal. An der Behrenstraße dagegen kann sogar der Chef das Haus verlassen, ohne dass man sich Sorgen machen muss. Keine Krise nirgendwo, man lässt sich Zeit. Andreas Homoki, Intendant seit 2003, wird seinen Vertrag vorzeitig auflösen, um die Leitung des Opernhauses Zürich zu übernehmen. Sein Nachfolger steht schon fest: Vom Jahr 2012 an wird Barrie Kosky Intendant der Komischen Oper.

So einfach, so gut. Schade, dass Homoki geht, aber die Oper in Zürich gehört in die Spitzenklasse der Welt, die Komische Oper ist nur die zurzeit beste in Berlin. Und auch das ist sie nur, weil Andreas Homoki sie aus der schweren Krise nach der Wende herausgeführt und ihr nach dem Abtritt der DDR-Ikone Harry Kupfer verstörtes, ostalgisch gestimmtes Publikum beharrlich und geduldig an ein modernes, international konkurrenzfähiges Regietheater gewöhnt hat. Im letzten Jahr ist diese Leistung endlich auch von der Presse gewürdigt worden: Das Fachmagazin Opernwelt hat die Komische Oper zum „Opernhaus des Jahres“ ausgerufen, und die Redaktion hat zu Recht angemerkt, dass Homoki einer der wenigen Regisseure sei, die in der Rolle des Intendanten den Mut haben, Kollegen zu verpflichten, die profilierter sind als sie selber.

Das gilt insbesondere für den Australier Barrie Kosky, der mit einer Reihe spektakulärer Inszenierungen zum Ruhm des Hauses beigetragen hat. Es begann mit Ligetis „Grand Macabre“. Das eigentlich unspielbare, vom Komponisten selbst für misslungen gehaltene Werk wurde in seiner Regie dann doch noch zu jener Endzeit-Orgie, die Ligeti sich vorgestellt hatte. Dann folgten ein klaustrophobisch-komischer „Figaro“ von Mozart, eine erschütternd pessimistische „Iphigenie auf Tauris“ von Gluck, und zurzeit ist seine „Kiss me Kate“ von Cole Porter zu sehen. „Absolut down town“ lautete ein viel gehörtes Lob – und man kann nun hoffen, dass das so bleibt.

Unter Homoki ist die Komische Oper in der Stadt angekommen wie kein anderes der großen Theater, ein junges Ensemble hat sich gebildet, das sich mit Begeisterung auf immer neue Wagnisse mit Regisseuren einlässt, die hier die Chance haben, Spuren für die Zukunft zu hinterlassen. Gerade Kosky wird wissen, wie wertvoll dieses Erbe seines Vorgängers ist. Wenn man Homoki trotzdem vermisst, kann man sich seine uralte Inszenierung von „Hänsel und Gretel“ an der Deutschen Oper ansehen. Die steht dort immer noch auf dem Spielplan, weil sie in der Bismarckstraße einfach keine bessere haben.

NIKLAUS HABLÜTZEL