: Das Quintett von Biberach
Oberschwaben ist dort, wo die CDU noch die CDU ist: Schaffen, Familie, Kirchenchor. Fünf Parteimitglieder treten am 1. Juli gegeneinander an, eines ist der Ex-Grüne Oswald Metzger. Sie wollen in den Bundestag, ihre Lebensentwürfe sind völlig unterschiedlich. Von Georg Löwisch
VON GEORG LÖWISCH
Der Wahlkreis
Das Ticket nach Berlin: Der Bundestagswahlkreis Biberach ist eine CDU-Bastion. Wen die CDU hier aufstellt, der sitzt im Bundestag. Fünf Leute, darunter der Ex-Grüne Oswald Metzger, wollen Kandidat werden. Der Platz ist überhaupt zu vergeben, weil der langjährige CDU-Abgeordnete Franz Romer aufhört. Romer, ein Arbeiter und Betriebsrat, hatte in Berlin nichts zu sagen, war aber zu Hause hoch angesehen. Die Wahlversammlung: Am 1. Juli findet um 19.30 Uhr in der Stadthalle Biberach die Nominierungsversammlung statt. An der geheimen Abstimmung teilnehmen dürfen alle CDU-Mitglieder, die bei der Bundestagswahl 2009 wahlberechtigt sein werden. Zum Wahlkreis gehören der Kreis Biberach und aus dem Kreis Ravensburg die Gemeinden Aitrach, Aichstetten, Kißlegg, Bad Wurzach. In den ersten beiden Wahlgängen braucht man die absolute Mehrheit, im dritten nur die höchste Stimmzahl. Die Rahmenbedingungen: Mittelständische Firmen und Weltunternehmen wie Liebherr machen die Region wirtschaftlich äußerst stark (Arbeitslosenquote um die 2,5 Prozent). Dennoch ist sie ländlich geprägt, die größten Städte sind Biberach mit 32.000 und Laupheim mit 19.000 Einwohnern. Eine große Rolle spielt die katholische Kirche.
Der Kandidat:
Peter Diesch, 48, aus Oggelshausen am Federsee.
Familie: Verheiratet, zwei Töchter (13 und 16 Jahre) und ein 8-jähriger Sohn.
Beruf: Bürgermeister der Stadt Bad Buchau. Gelernter Reiseverkehrskaufmann und Diplom-Betriebswirt.
Familie und Beruf: „Die Mitarbeit im Haushalt hält sich naturgemäß in Grenzen. Zu Hause ist meine Frau.“
Hobbys: Blasmusik in der Stadtkapelle Bad Buchau, früher Flöte, heute Saxofon.
CDU-Stallgeruch: Mitglied seit 16 Jahren. 12 Jahre im Kreisvorstand Biberach.
Katholische Kirche: Früher Pfarrjugendleiter.
Modernitätsfaktor: „Meine Gedanken enden nicht an den Kreisgrenzen. Ich war auf allen Kontinenten, weil ich ein Reisebüro hatte und Geschäftsführer bei einem Reiseveranstalter in München war. Meine Devise: Global denken – lokal handeln“.
Traditionsfaktor: Bürgermeister, Blasmusik, Oggelshausen.
Wie finden Sie Oswald Metzger? „Eine ausgesprochen interessante Persönlichkeit. Was er über sozial Schwache gesagt hat, hätte ich nicht gesagt, weil es in einer beleidigenden Ausdrucksweise ankam.“
Chancen: Wenn die über 1.700 CDU-Mitglieder am 1. Juli in Biberach in geheimer Wahl abstimmen, dürfte Peter Diesch nicht nur Zählkandidat sein – trotz seiner für lokale Verhältnisse unauffälligen Optik. Er verkauft sich nicht schlecht, Partei- und Kirchenwerte sind tadellos. Mit dem Landtagsabgeordneten Peter Schneider soll ihm obendrein ein CDU-Würdenträger wohl gesinnt sein. Im Ergebnis dennoch nur Außenseiterchance.
Die Kandidatin:
Carmen Bogenrieder, 43, aus Uttenweiler-Ahlen.
Familie: Mit Bänker verheiratet, drei Töchter (11, 14, 18 Jahre).
Beruf: Hausfrau und Diplom-Verwaltungswirtin, freiberufliche Trainerin für Bewerbungen. Früher Mitarbeiterin beim Kreisbauernverband.
Familie und Beruf: „Bei uns helfen die Großeltern bei der Kinderbetreuung, aber vor der Geburt unserer zweiten Tochter haben mein Mann und ich uns für eine Familienphase entschieden. In den ersten drei Jahren eines Kindes gehören Mutter oder Vater nach Hause. Eine fremde Person kann das nicht, das hat was mit Liebe zu tun.“
CDU-Stallgeruch: 23 Jahre Mitgliedschaft. 16 Jahre Kreisvorstand Biberach. 3 Jahre Bezirksvorstand. 10 Jahre Kreisvorsitzende Frauenunion. Ehrenamtliche Sektenbeauftragte mit Schwerpunkt Scientology.
Katholische Kirche: Engagiert in der Gemeinde Mariae unbefleckte Empfängnis, Ahlen. Gesamtelternbeiratsvorsitzende aller katholischen Schulen der Diözese. Konnte sich in der CDU-Mitgliederzeitschrift mit „Bischof Dr. Gebhard Fürst“ zeigen.
Hobbys: Lesen (Focus, Welt am Sonntag, Sachbücher).
Modernitätsfaktor: Will die Multifunktionärin verkörpern, die Beruf und Engagement mit der Familie vereinbart.
Traditionsfaktor: „Was mir nicht gefällt, ist die Riesenkrippenoffensive von Frau von der Leyen. Nicht, dass ich das den Müttern nicht gönne. Aber es ist den Eltern zuzumuten, dass sie ihre Kinder bis zum dritten Lebensjahr betreuen. Das ist a) besser und b) billiger im Hinblick auf die Staatsverschuldung.“
Wie finden Sie Oswald Metzger? „Politisch trennen uns viele Geister. Zum Beispiel die Sätze, die er über sozial Schwache logelassen hat. Man darf nicht pauschal aburteilen.“
Chancen: Hohe Werte bei Partei und Katholikentum. Identifikationspotenzial sowohl für Landfrauen als auch für urbane CDUlerinnen. Nachteil: Geringer Frauenanteil in der Mitgliederschaft.
Der Kandidat:
Christoph Burandt, 39, aus Burgrieden.
Familie: Verheiratet mit einer Ärztin. 10-jähriger Sohn, 14-jährige Tochter.
Beruf: Hausmann und Entwickler von Jugendprojekten. Ausbildung: Krankenpfleger, Finanzwirt.
Familie und Beruf: 2000 entschied er sich, vom Krankenpfleger zum Vollzeithausmann umzusteigen, inzwischen ist er wieder stundenweise berufstätig.
CDU-Stallgeruch: Erst 2 Jahre in der Merkel-Partei. Inzwischen immerhin Vorsitzender des Gemeindeverbandes Burgrieden-Rot.
Katholische Kirche: Aktives Mitglied in St. Alban, Burgrieden. Wichtiger ist aber folgende Geschichte: „Am 10. September 2006 hat mich die Papstmesse auf dem Marienfeld in München sehr berührt. Papst Benedikt XVI. hat dort angeprangert, dass niemand mehr grundlegend für die Werte einsteht. Einen Tag danach habe ich meinen CDU-Mitgliedsantrag unterschrieben.“
Hobbys: Tenor im Chor „Voice It“ aus ehemaligen Ministranten und Oberministranten. DLRG-Rettungsschwimmer. SV Burgrieden, Volleyball, VfB Suttgart e. V., BWLV e. V., Lebensqualität Burgrieden e. V., Erneuerbare Energien Rottal e. V., Förderverein GHWRS Burgrieden, 365 Mal Hilfe für Mittel-und Osteuropa e. V.
Modernitätsfaktor: Der Hausmann, der eine starke Frau akzeptieren kann und sich für die Bürgergesellschaft einsetzt.
Traditionsfaktor: „Die Würde des Menschen – auch des ungeborenen und des sterbenden – ist unantastbar. Die Familie ist die Keimzelle der Gesellschaft, in der Liebe und Zeit wichtige Grundlagen der Kindererziehung sind. Nur wer geliebt wird, kann auch selber lieben!“
Wie finden Sie Oswald Metzger? „Persönlich ist Herr Metzger ein interessanter Typ mit gewisser Vergangenheit. Was er zu Sozialhilfeempfängern gesagt hat, die Kohlehydrate in sich reinstopften: Ich würde mir eher Gedanken machen, die Leute zu motiveren.“
Chancen: Burandt ist im Auftrag des Herrn, zumindest des Papstes, unterwegs. Diese Stärke ragt im Kampf aber kaum heraus, weil die Konkurrenz ebenfalls stark mit der katholischen Kirche verbunden ist, selbst Metzger ist Kirchenmitglied. Der Biberacher CDU dürfte er aber erheblich zu schräg („Was schafft d’Burandt denn jetzt eigentlich?“) und zu kurz in der CDU sein.
Der Kandidat:
Oswald Metzger, 53, aus Bad Schussenried.
Familie: Verheiratet mit der Inhaberin eines Modegeschäfts. Zwei Stieftöchter (23 und 27).
Beruf: Publizist. Jurastudium, kein Abschluss. 8 Jahre Grünen-Politiker im Bundestag.
Familie und Beruf: „Ich habe vor fünf Minuten eine Waschmaschine gefüllt. Aber in der Regel macht Waschen und Bügeln meine Frau. Garten, Wertstoffe und gröbere Arbeiten sind meine Sache, ich kaufe ein. Als die Kinder jünger waren, trug die Hauptlast der Erziehung meine Frau.“
CDU-Stallgeruch: Mitglied seit dem 13. April 2008.
Katholische Kirche: Mitglied in St. Magnus, Bad Schussenried. Kirchlich geheiratet in St. Oswald, Otterswang. Bis 1973 auf katholischen Internaten in Leutkirch und Ehingen. Musste jedoch abgehen, da ihm das Bischöfliche Konvikt das Stipendium strich. Das erwiderte er, indem er die Liberalisierung des Abtreibungsrechts forderte.
Hobbys: Gartenarbeit. Viermal wöchentlich Nordic Walking.
Modernitätsfaktor: „Ich bin Traditionalist in der Wirtschaft, die zur Modernisierung der CDU mehr Gewicht bräuchte: ein ordoliberaler Marktwirtschaftler der Freiburger Schule.“
Traditionsfaktor: Siehe Modernitätsfaktor.
Wie finden Sie Oswald Metzger? „Ich kenn mich. Ich bin eine Person mit Ecken und Kanten, die das Kunststück fertig gebracht hat, immer noch einen Namen zu haben.“
Chancen: Metzger fährt eine Doppelstrategie: Einerseits geht es darum, sich in Rekordzeit in die Partei zu integrieren. Kein Exot, sondern einer, der immer zu den Bodenständigen im Kreis gehört hat. Zugleich organisierte er politische Frühschoppen mit Promis wie Ex-Verfassungsgrichter Paul Kirchhof, um zu zeigen, dass er Bundesliga spielt. Das ist die Chance, sagt unser CDU-Insider: „Er wäre eine Verführung. Das läuft eher unbewusst, die würden es nie bewusst machen. Aber wenn er sexy genug ist, könnte es der Basis die Sünde wert sein.“
Der Kandidat:
Josef Rief, 48, aus Kirchberg an der Iller.
Familie: Verheiratet mit einer Historikerin, zwei Söhne (8 und 7), eine Tochter (4).
Beruf: Landwirtschaftsmeister (Schweine, Acker, Wald).
Familie und Beruf: Bewirtschaftet den Hof mit seiner Frau, die vor allem die Kinder betreut.
CDU-Stallgeruch: 23 Jahre Mitgliedschaft. Seit 9 Jahren Kreischef. Mitglied im Landesvorstand.
Katholische Kirche: Seit 35 Jahren im Kirchenchor von St. Martin, Kirchberg (Tenor).
Hobbys: Imker, früher Fußball.
Modernitätsfaktor: „Wir müssen mehr investieren: Straßen, Schienen, DSL.“
Traditionsfaktor: „Wir sollen die Frauen ernst nehmen. Manche möchten berufstätig sein. Je mehr Kinder, da wird das natürlich sehr schwierig. Bei denen, die mehrere Kinder haben, ist eine volle Berufstätigkeit nicht möglich. Ich habe ein klein bisschen den Eindruck, dass Berufstätigkeit zu häufig einen höheren Stellenwert hat als Familie. Wir sind ein konservativer Landstrich!“
Wie finden Sie Oswald Metzger? „Zu meinen Mitbewerbern sage ich nichts.“
Chancen: Erdig, bewährt, Rief könnte bei den vielen Ü-60-Mitgliedern punkten. Doch obwohl er über den deutlichsten CDU-Stallgeruch verfügt, hat Rief Gegner im Biberacher Parteiestablishment. Zudem verfolgt ihn ein Polterer- und Frauen-an-den-Herd-Image. „Wenn der Bauer allein zur Nominierung geht, darf Rief jubeln“, dignostiziert ein christdemokratischer Kenner. „Wenn die Bäuerin dabei ist, nicht mehr.“