Haushalt am Abgrund

Erste Bewährungsprobe für Schwarz-Grün: Milliardenlöcher im Haushalt müssen gestopft werden, um Koalitionsprojekte zu finanzieren. CDU und GAL steuern dabei in verschiedene Richtungen

VON MARCO CARINI

Es wird die größte Herausforderung für Schwarz-Grün. In den vergangenen Tagen beriet der Senat erstmals über die künftige Haushaltspolitik und blickte dabei in ein tiefes Loch, das es möglichst geräuschlos zu schließen gilt. Tatsache ist: Geplante Ausgaben von rund drei Milliarden Euro bis 2012 sind noch nicht gegenfinanziert, das meiste davon sind Altlasten des früheren CDU-Senats (s. Kasten).

Die noch vom CDU-Senat verfertigte Haushaltsplanung sieht Ausgaben in Höhe von 10,9 Milliarden Euro für das kommende Jahr und in Höhe von 11,1 Milliarden Euro für 2010 vor. Doch diese Prognosen sind nach den ersten Senatsberatungen vom Tisch. Es werde eine „geringe Ausweitung des Haushalts“ geben, räumte Bürgermeister Ole von Beust (CDU) am Dienstag ein, ohne Zahlen zu nennen. Finanzielle Umschichtungen soll es nur innerhalb der Ressorts geben. Kein Senatsmitglied soll, so legte die Regierungsrunde in ihren ersten Konsultationen fest, in den kommenden Jahren einen kleineren Etat haben als 2008. Dass das Milliardenloch nur durch „Umverteilungen innerhalb des Haushalts geschlossen“ werden kann, wie der Finanzsprecher der CDU, Rüdiger Kruse es verspricht, scheint damit unwahrscheinlich.

Neue Kredite also? „Es bleibt bei dem Grundsatz: keine neuen Schulden“, so von Beust am Dienstag. Doch die Rückzugslinie ist längst vorbereitet: Nur wenn die Steuereinnahmen auch in den kommenden Monaten weiter kräftig sprudeln, soll hieran festgehalten werden. Bricht die Konjunktur ein, ist das, was Politiker gern eine „moderate Neuverschuldung“ nennen, unumgänglich. GAL-Fraktionschef Jens Kerstan interpretiert die Koalitionsvereinbarung längst so, „dass in dem einen oder anderen Jahr“ der laufenden Legislaturperiode eine Neuverschuldung möglich ist. Denn dort wird eine weitere Kreditaufnahme längst als „ultima ratio“ gehandelt, ist nur von einer „Schuldenbremsregelung“ die Rede. Doch dem widerspricht Rüdiger Kruse: „Neue Schulden sind mit der CDU-Fraktion auch in einer konjunkturellen Schlechtwetterperiode nicht zu machen.“

Erstmals sprach von Beust am Dienstag auch von weiteren „Vermögensmobilisierungen“, um die Lücken zu stopfen. Doch auch das Tafelsilber, dass die Stadt noch verscherbeln kann, ist begrenzt. Über den Verkauf Hamburger Firmenbeteiligungen „sei noch nicht gesprochen worden“, berichtet ein Teilnehmer der Runde. Auch andere Möglichkeiten der „Einnahmeerhöhung“ werden nur mit gebremsten Schaum diskutiert: So könnte eine Erhöhung der Gewerbesteuer zusätzliche Millionen bringen, doch gleichzeitig die Konjunktur abwürgen. Tendenz hier: Alles bleibt beim Alten.

Die GAL setzt vor allem darauf, Projekte, die noch der alte Senat angeschoben hat, zu prüfen. Der Masterplan Volkspark, der die Umwandlung des Bahrenfelder Areals zu einem Sportpark vorsieht, wird abgespeckt werden, die Ausrichtung der Universiade 2015 steht genauso zur Debatte wie das Science Center in der Hafencity. Und auch der drei Milliarden schwere Investitionsplan für die Infrastruktur des Hamburger Hafen wird von der GAL zur Debatte gestellt. „Wir müssen prüfen, ob Teile dieser Summe nicht von der Hafenwirtschaft selbst finanziert werden können“, gibt GAL-Fraktionschef Jens Kerstan den Kurs vor und stößt damit auf erbitterten Widerstand der Handelskammer. „Solche Diskussionen lösen eine starke Verunsicherung der Hafenwirtschaft aus und sind Gift für den Hafenstandort Hamburg“, warnt deren Geschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz.

Auch wenn die weiteren Haushaltsplanungen der Koalition erst im Herbst Konturen annehmen werden, hat sich die Opposition schon auf das Thema eingeschossen. Während SPD-Fraktionschef Michael Neumann die „Hintertür zur Neuverschuldung“ bereits geöffnet sieht, sieht SPD-Finanzexperte Peter Tschentscher die Befürchtung bestätigt, dass der Senat „mit dem Geld nicht auskommt“.