Auf Vorrat, Teil 2

AUS BERLIN VEIT MEDICK

Das Kabinett hat am Mittwoch den elektronischen Einkommensnachweis „Elena“ beschlossen. Damit steht fest, dass künftig die Lohnzettel der 40 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland nicht mehr in Papierform ausgegeben, sondern zentral bei der Deutschen Rentenversicherung gespeichert werden. Zudem erhalten Millionen Empfänger von Sozialleistungen ab dem Jahr 2012 nur mit einer Chipkarte Geld vom Staat. Die Regierung sieht damit ihre Innovationskraft bewiesen, Datenschützer hingegen kritisieren das Projekt als neue Vorratsdatenspeicherung.

Mit „Elena“ will die große Koalition vor allem die Wirtschaft von Bürokratiekosten entlasten. Bislang zahlen die knapp drei Millionen Arbeitgeber rund 100 Millionen Euro für Gehaltsnachweise in Papierform. Durch die elektronische Übermittlung der Einkommensnachweise könnten Unternehmen pro Jahr rund 85 Millionen Euro einsparen, rechnete das Wirtschaftsministerium vor. Das Projekt geht noch auf eine Initiative der rot-grünen Bundesregierung zurück. Im Jahr 2002 lief diese noch unter dem Begriff der Arbeitslosenkarte, später unter dem Begriff JobCard.

Funktionieren soll „Elena“ spätestens ab dem Jahr 2010 folgendermaßen: Arbeitgeber schicken jeden Monat die Einkommensdaten ihrer Beschäftigten an eine zentrale Speicherstelle. Beantragt der Arbeitnehmer eine staatliche Leistung, benötigt er eine digitale Signatur. Als Träger kommen sowohl der elektronische Personalausweis wie auch die Bankkarte oder die Gesundheitskarte in Frage. Der digitale Schlüssel soll für den Zeitraum von drei Jahren zehn Euro kosten.

Nur bei Vorlage dieser Signatur werden die jeweils zuständigen Behörden dazu befugt, auf die Datenbank zuzugreifen. Die Nutzung von „Elena“ sei daher sicher, heißt es im Wirtschaftsministerium. „Die Karte dient quasi als einer von zwei Schlüsseln“, erklärte eine Sprecherin. Ein Zugriff sei entsprechend nur unter aktiver Mitwirkung des Bürgers möglich.

Datenschützer liegen in ihrer Bewertung des Unterfangens äußerst untypisch über Kreuz. Der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Peter Schaar, hält „Elena“ trotz der massenhaften Speicherung von sensiblen Daten für recht unbedenklich. „Natürlich sind wir nicht begeistert“, sagt sein Sprecher Dietmar Müller. „Wenn jede Menge Daten eines großen Personenkreises gespeichert werden, ist immer Skepsis angebracht. Aber wir können damit leben.“ Man sei von Anfang an in die Diskussion eingebunden gewesen und habe Kritik vortragen können.

Anders sehen das offenbar Schaars Kollegen aus den Ländern. Schleswig-Holsteins Datenschutzbeauftragter Thilo Weichert hält „Elena“ für eine „klassische Vorratsdatenspeicherung“ und fordert, das Gesetz zu stoppen (siehe Interview). Einmal gesammelte Informationen erweckten schnell vielfältige Begehrlichkeiten. Dafür sei die Datenbank nicht ausreichend geschützt. Konkrete Vorschläge der Landesdatenschutzbeauftragten zur besseren Absicherung der Informationen seien nicht berücksichtigt worden.

Auch die Opposition im Bundestag zeigte sich besorgt. Die innenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Gisela Piltz, kritisierte das System als „Datenmonster“. „Elena müsste eigentlich stehen für elektronische Langzeiterfassung nahezu aller Bürgerinnen und Bürger, denn mit Elena entsteht eine zentrale Riesendatei.“ Der Entlastungseffekt für Wirtschaft und Verwaltung sei Augenwischerei. Schon bald werde die Nutzung der Datei sicherlich bei der Verbrechensbekämpfung gefordert werden.

Trotz der Kritik ist die Bundesregierung fest dazu entschlossen, das System auf 45 weitere Bereiche auszuweiten, etwa auf das Kindergeld und auf das Arbeitslosengeld II. So könnte die Wirtschaft für jeden Bereich um weitere fünf Millionen Euro entlastet werden, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Hartmut Schauerte.