Ja, wie laufen sie denn nun wieder auf?

Wo hier ein Vorteil ist, kann dort ein Sturmproblem entstehen: Joachim Löw sinniert übers 4-2-3-1-System, aber das 4-4-2 hat auch Tücken

In der Medizin ist das Phänomen hinlänglich bekannt: Die Wirkung eines Serums lässt nach, der Patient entwickelt Resistenzen, die Ärzte müssen etwas anderes verschreiben. Auf das taktische Geplänkel der deutschen Nationalmannschaft übertragen, heißt das: Im Viertelfinale erwies sich das 4-2-3-1-System der DFB-Elf als hochwirksames Mittel, um den Portugiesen den Schneid abzukaufen. Im Match gegen die Türken hingegen waren die positiven Effekte der taktischen Kur aber kaum mehr zu sehen.

In erster Linie lag das an den beschränkten Möglichkeiten Michael Ballacks. Von Mehmet Aurelio wurde er im Grunde in eine Manndeckung genommen. Zur Begrüßung wurde Ballack zweimal hart gefoult und auch in der Folge in seinen Gestaltungsmöglichkeiten arg beschränkt. Hinzu kam, dass sich der deutsche Kapitän diesmal nicht auf die sogenannte Doppelsechs mit Thomas Hitzlsperger und Simon Rolfes verlassen konnte. Vor allem Letzterer konnte nicht an seine gute Leistung anknüpfen und wurde noch in der ersten Halbzeit von Ballack auf dem Platz zurechtgewiesen.

Die Neue Zürcher Zeitung erinnerte Rolfes’ Spiel „an einen Menschen auf dem Bahnsteig, der fassungslos einem Zug nachblickt, der gerade mit seinem Koffer abgefahren ist“. Als in der zweiten Halbzeit Frings die Rolle des verletzten Rolfes übernahm, stabilisierte sich das System.

Dennoch ist fraglich, ob es im Finale am Sonntag noch einmal benutzt wird, oder ob Bundestrainer Joachim Löw wieder dem vertrauten 4-4-2 den Vorzug geben wird. In Basel bemängelte er die Flexibilität des deutschen Spiels in der Spitze. „Ein zweiter Stürmer hätte uns sicherlich gutgetan“, sagte er und man wunderte sich, warum er ihn dann nicht einfach eingewechselt hatte. Das habe mit den Problemen des Mittelfeldes zu tun gehabt, erläuterte Löw. Fünf Spieler in dieser Zone hätten dem deutschen Spiel mehr Sicherheit verliehen.

Dennoch darf diese Aussage als Unbehagen am 4-2-3-1-System gedeutet werden, an einer taktischen Variante, die Michael Ballack offen favorisiert hat. Es wird nun viel auf den Gegner ankommen, wie sich das deutsche Team im Endspiel aufstellt. Gegen Russland erscheint ein 4-4-2-System effektiver, gegen Spanien könnte es bei der zuletzt benutzten Variante bleiben. Ziemlich sicher wieder mit dabei im Finale: Torsten Frings. MARKUS VÖLKER