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„Hier wird etwas aufgebaut“

Die Primarschule soll mehr Schüler zu höheren Abschlüssen bringen, sagt Schulsenatorin Christa Goetsch. Primarschulen an Gymnasien sollen aber Ausnahme sein. Die Debatte darum lenke nur ab

CHRISTA GOETSCH, 55, seit 2002 Fraktionsvorsitzende der GAL in der Bürgerschaft und neuerdings Bildungssenatorin. Zuvor war sie 22 Jahre lang Lehrerin an einer Grund-, Haupt- und Realschule in Altona-Nord. FOTO: DPA

INTERVIEW KAIJA KUTTER

taz: Frau Goetsch, Sie sind jetzt sechs Wochen im Amt. Haben Sie schon Ihre Pläne für die Primarschule präzisiert?

Christa Goetsch: Es ist eine recht kurze Zeit, aber wir haben Wichtiges auf den Weg gebracht. Zum einen, dass keine isolierten Hauptschulklassen eingerichtet werden zum Sommer. Da freue ich mich für die Jugendlichen, dass sie nicht mehr in so eine Loserecke geschoben werden. Zum anderen werden jetzt die regionalen Schulkonferenzen vorbereitet, die im Herbst starten. Dafür legen wir die Schulaufsicht zusammen, die bisher nach Schulform getrennt war. Und wir haben zusätzliche Stunden für die 3. und 4. Klassen. Die Primarschule wird besser ausgestattet sein und keine Klasse über 25 Schüler haben.

Ist dies trotz der Engpässe im Haushalt gesichert?

Auf jeden Fall. Die Kinderbetreuung und der Schulbereich haben absolute Priorität in der Koalition.

In der Stadt diskutiert wird die Perspektive der Eltern. Welche Wahlfreiheit haben die, wenn sie ihr Kind zur 1. Klasse anmelden?

Sie können innerhalb eines Anmeldeverbunds eine Schule wählen. Ich gehe davon aus, dass Eltern in erster Linie schauen, ob die Schule in Wohnortnähe liegt.

In welcher Art werden Primarschulen mit Gymnasien zusammenarbeiten?

Da gibt es keine organisatorische oder inhaltlich pädagogische Zusammenarbeit. Die Primarschule wird eine eigenständige Organisation mit eigener Leitung.

Aber es kann Primarschulen geben, die ganz oder teilweise in den Räumen eines Gymnasiums liegen.

Das könnte sein. Aber es hat oberste Priorität, die Primarschulen so einzurichten, dass sie von Klasse Null bis Sieben an einem Standort sind.

Heißt es, das Modell Klasse 4, 5, 6 am Gymnasium gibt es nicht?

Es wird eher die Ausnahme sein. Aber diese Debatte ums Organisatorische lenkt ab von der Richtung, in die diese Schulreform wirklich will. Die Koalition will eine Primarschule, die länger gemeinsam lernt. Mit moderner Pädagogik, mit gut ausgebildeten Lehrern. Weil wir einen Unterricht brauchen, der individuell fördert und vor allen Dingen mehr Kinder zu guten Abschlüssen bringt. Das ist die gesellschaftspolitische Aufgabe hier in Hamburg in der Großstadt. Das sagt inzwischen auch der Unternehmensverband Nord.

Sie müssen den Eltern vermitteln, dass es mehr höhere Abschlüsse geben soll.

Wir sind dabei, diese Eckpunkte zu kommunizieren. Wir werden Montag den nächsten Schulbrief an die Schulen geben. Ich hoffe, dass er diesmal alle Eltern erreicht.

Wird es an Primarschulen Lehrer geben, die auch am Gymnasium unterrichten?

Das ist Teil der Personalentwicklung, an der wir arbeiten.

Kann es sein, dass ein Gymnasiallehrer sowohl Sechstklässler als auch Siebtklässler unterrichtet?

Das ist keine Schande, das könnte sein, wenn es sich räumlich ergibt. Aber wir wollen möglichst die Kollegien an der Schule erst mal halten.

Wie verhindern Sie, dass der Standort einer Primarschule die weitere Laufbahn der Kinder beeinflusst, wie es in Niedersachsen bei der Orientierungsstufe geschah?

Es geht hier nicht um die Orientierungsstufe. Auch nicht um die Berliner Grundschule. Wir führen ein bundesweit ganz neues Modell ein. Es führen zwei Wege zum Abitur. Einmal nach 12 Jahren über das Gymnasium und einmal nach 13 Jahren an der Stadtteilschule.

Es gibt Gymnasien, die fürchten um ihre Profile. Zum Beispiel können sie Latein ab Klasse 5 nicht fortführen, wenn sie die Schüler erst in Klasse 7 bekommen.

In den Primarschulen wird es ein sehr gutes Fremdsprachenangebot geben. Verschiedene Schwerpunkte, auch musische, sind dort ohne weiteres zu machen. Es wird in jeder Bildungsregion Latein geben. Hier wird nichts weggenommen, hier wird etwas aufgebaut.

Angenommen, Eltern wünschen, dass ihr Kind auf ein humanistisches Gymnasium geht. Müssen sie dann die Primarschule wählen, die Latein anbietet? Oder nimmt das Gymnasium sie auch ohne Lateinkenntnisse?

Ein Gymnasium muss jeden Schüler aufnehmen.

Welche Chance haben Kinder, ohne Empfehlung ans Gymnasium zu kommen? Bisher konnten Eltern ja nach Klasse vier ihre Kinder auch so anmelden.

Das zu erhalten, ist nicht erstrebenswert. Man muss sehen, welche Leidensgeschichten die Kinder erfahren, die in Klasse 5 und 6 wieder unter dem Damoklesschwert stehen, dass sie die Schule verlassen müssen.

Gibt es ein Probehalbjahr?

Das steht nicht zur Diskussion.

Bleibt den das Gymnasium wie es ist? Vor der Wahl war die Belastung durchs Turbo-Abitur ein großes Thema.

Das ist eine wichtige Frage. Die Eltern müssen sich vor Augen halten, dass es eine hervorragende, positive Veränderung gibt in Klasse 5 und 6. Denn an der Primarschule wird in kleineren Klassen, rhythmisiert, möglichst ganztägig beschult. Da haben wir all das, was bei der überhasteten G8-Reform bisher fehlte. Wir haben aber jetzt für die Gymnasien ein Entlastungsprogramm entwickelt. Das ist in einem Brief an alle Schulen dargelegt. Die Gymnasien sind untersucht worden, ob sie ihre Organisation so gestalten, dass Entlastung eintritt. Da ist noch mächtig Nachholbedarf. Die Schulen müssen ab diesem Sommer 75 Prozent des Unterrichts in Doppelstunden organisieren und danach angemessene Pausen vorhalten.

Was spricht für dafür?

Im 45-Minuten-Takt kann es passieren, dass sie sechs oder sieben Stunden Einzelfächer haben. Dass das kein Kind aushält, liegt auf der Hand. Und dass Gymnasien so etwas immer noch machen, geht überhaupt nicht.

Es gibt eine Volksinitiative für den Erhalt der Gymnasien ab Klasse 5 und das Volksbegehren „Schule für alle“. Dürfen die in den Schulen Unterschriften sammeln? Ihre Vorgängerin hatte das verboten.

Unter den Schülern und auf dem Schulhof darf nicht gesammelt werden. Das kann aber bei Elternabenden geschehen. Ich würde raten dort immer beide Initiativen einzuladen oder vorzustellen, aus Gründen des Minderheitenschutzes.

Die Primarschule ist auch Thema unseres taz salons mit Christa Goetsch am 3. Juli, 20 Uhr, Kulturhaus 73

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