Wieder Autos platt

Diesmal richtet sich der Protest der Luftablasser gegen Gentrifikation. Polizeilicher Staatsschutz ermittelt

Es zischt wieder. Oder anders ausgedrückt: Die politische Aktionsform, aus den Reifen von Sprit fressenden Nobelkarossen Luft abzulassen, lebt offenbar wieder auf. An insgesamt fünf Fahrzeugen in Friedrichshain-Kreuzberg seien am Donnerstag und in der Nacht zuvor platte Reifen festgestellt worden, teilte die Polizei mit.

Im Vorjahr hatten Akteure mit unter die Scheibenwischer geklemmten Flugblättern auf die Verbindung von Auto-Mobilismus und Klimaerwärmung aufmerksam machen wollen. Nun wenden sie sich laut Polizei gegen einen „Aufwertungsprozess“ im Kiez. Deshalb habe der polizeiliche Staatsschutz die Ermittlungen übernommen.

Schon 2007 hatten Luftablasser die Ermittlungsbehörden in Trapp gehalten. Mehr als 200 Ermittlungsverfahren wegen Sachbeschädigung gegen unbekannt seien bei der Staatsanwaltschaft anhängig, sagt Justizsprecher Michael Grunwald. Ein einziges Mal – im September 2007 – war es der Polizei gelungen, drei Tatverdächtige im Alter von 23 bis 25 Jahren festzunehmen (taz berichtete). Anklage wurde bisher nicht erhoben. „Die Ermittlungen dauern an“, sagt Grunwald. Informationen der taz, nach denen Staatsschutz und Staatsanwaltschaft aufgeschraubte Ventile auf DNA-Spuren untersuchen lassen wollen, kommentiert der Justizsprecher mit den Worten: „Das steht noch nicht fest.“ Die Polizeipressestelle ist auskunftsfreudiger: Die Staatsanwaltschaft habe keine Zustimmung zu den DNA-Tests gegeben, weil das Delikt zu geringfügig sei.

Kenner der Szene berichten der taz, die Autos würden durch das Steinchen, das in die Ventilkappe gedrückt werde, nicht beschädigt. Der Reifen könne ohne Probleme wieder aufgepumpt werden. Rechtsanwalt Rüdiger Jung, der einen der Beschuldigten vertritt, verweist auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs: Es liege keine Sachbeschädigung vor, wenn der Wagen durch Austauschen des Rades mit dem Reservereifen wieder flottgemacht werden könne.

Bei den Tatverdächtigen waren laut Polizei damals Handzettel gefunden worden. Entsprechende Zettel mit Verweis auf die Klimaerwärmung sollen sich auch unter den Scheibenwischern von vier Pkws gefunden haben, die in jener Nacht platt gemacht worden waren.

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