So werden Sie ein fairer, reicher Milchbauer

VON HANNA GERSMANN

1. Machen Sie eine „Milch zum Anbeißen“ (Nestlé). Denken Sie den Käse mit!

Sie haben vor wenigen Wochen tagelang die Milch Ihrer Kühe in den Gully laufen lassen. Das hat die Nation schockiert – Ihnen aber zugleich gezeigt, dass die Verbraucher bereit sind, für die Milch draufzulegen. Die Discounter haben nachgegeben und zahlen mehr. Den Erfolg kann Ihnen niemand nehmen – erst mal.

Feiern Sie ihn gebührend, wenn Sie sich heute zu Ihrem Bauerntag treffen. Aber täuschen Sie sich auch nicht: Lidl, Aldi und Rewe, Edeka und Tengelmann können Sie und Ihre Bauernkollegen ziemlich schnell wieder an den unteren Rand der Preisskala drücken. Die Konkurrenz der Milchlieferanten ist groß – zu groß. Milch wird global gehandelt. Jedes Jahr kommen 1,5 Millionen Tonnen Milch aus dem Ausland. Sahne- und Kuchenproduzenten führen den Stoff für ihre Leckereien ein. Das können ebenso locker mehr werden – und da müssen Sie mit ran. Denken Sie die Sahne, den Quark und den Joghurt mit! Melken Sie Ihre Kühe für die Milch zum Anbeißen. Bisher sollen vor allem Trinkmilch und Butter teurer werden. Darin landen aber allenfalls 20 Prozent Ihrer Milch. Holen Sie sich den besseren Preis bei allen Milchprodukten.

2. „Dröpje voor Dröpje Qualität“ (B&B) – Erweitern Sie Ihr Geschäftsfeld: Machen Sie Milch – und lassen Sie sich dabei zuschauen.

Ja, wir wissen. So einfach ist das Geschäft nicht. Wahrscheinlich hilft es, wenn Sie sich eingestehen: Noch Ihre beste Kuh schafft es nicht, jeden Tag rund 45 Liter zu geben. Die doofe neuseeländische Kuh macht es billiger. Die australische auch. Down Under grast das Vieh das ganze Jahr draußen auf der Weide und braucht keinen hoch technisierten Stall mit Rückenmassagebürste und Futtercomputer.

Versuchen Sie aber erst gar nicht, mit Ihren Turbokühen zu prahlen, Ihr Milchhof kann nicht anstinken gegen die Kühe auf der Südhalbkugel. Jammern Sie trotzdem nicht. Machen Sie sich lieber attraktiv. Motto: „Bauer sucht Fans.“ Füttern Sie die Steuerzahler mit Fakten: Jeden Tag schaffen zehn Bauern ihre Kühe ab. Vor allem die Kleinbauern in Hessen oder Bayern verschwinden, während die Großen der Branche weiterwachsen – und Subventionen einstreichen. Der niederländische Industrielle Harry van Gennip plant im Brandenburgischen Hassleben zum Beispiel eine 25-Millionen-Euro-Mästerei – für 90.000 Schweine. Selbst in den Viehhochburgen in Niedersachsen hält ein Hof nicht mehr als 5.000 Schweine.

Machen Sie den Milchtrinkern klar: Wer am Landleben hängt, muss die Kuh im Dorf lassen – und einen Teil Ihres Honorarbedarfs zahlen. Und zuschauen kann er auch noch. Lassen Sie sich nicht nur die Milch bezahlen, sondern auch das Zuschauen, wenn die Urlauber zu Ihnen kommen.

3. „Milch macht müde Männer munter“, textet die CMA. Überlassen Sie diesen falschen Freunden nicht Ihren Stall. Machen Sie Ihre Werbung selber.

Sparen Sie – zum Beispiel an Geschmacklosigkeit! Die Reklametruppe CMA, die Centrale Marketing-Gesellschaft der Agrarwirtschaft, verspricht, zu Ihrem Wohle kreativ zu werden. Sie kennen die Sprüche: „It’s up to Muuh.“

Die helfen Ihnen aber nicht. Die Deutschen trinken heute nicht viel mehr Milch als noch vor fünf Jahren. Trotzdem zahlen Sie für die Werbefritzen. Mit jeder Milchrechnung werden Ihnen CMA-Gebühren abgezogen – pro Jahr zahlen die deutschen Milchbauern bis zu 35 Millionen Euro. Verlassen Sie sich nicht darauf, dass Horst Lorenz Seehofer, Ihr CSU-Agrarminister, daran etwas ändert. Er sieht bisher keinen Reformbedarf – und hält es dabei mit den Gesellschaftern der CMA. Darunter: Ihr Bauernverband mit Präsident Gerd Sonnleitner, dem Sie heute am Bauerntag wieder zeigen, was eine Harke ist. Denn der ist Großbauern verpflichtet, die den Kapitalismus genießen und Stars des Weltmarkts werden wollen. Überlassen Sie Ihren Kuhstall nicht länger den Falschen! Suchen Sie sich nach dem Bauerntag sofort neue Freunde, etwa die Rebellen von www.absatzfonds-abschaffen.de, den Bundesverband der Milchviehhalter oder die Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft.

4. „Wenn dich der Milchjieper packt“ (Ferrero) – ist der Kunde bereit, mehr zu zahlen. Für gute und faire Milch.

Je kleiner der Hof, je schonender der Umgang mit Umwelt und Kuh, je mehr Arbeit, desto teurer die Milch. Sicher, um diese simple Betrachtung scheren sich die Aldis und Lidls dieser Welt nicht. Dabei sind Sie gar nicht so teuer!

Rechnen Sie’s einfach mal vor: Im Schnitt bekommen Bauern derzeit 33 Cent pro Liter. Sie halten 43 Cent für fair, damit sie Kälber aufziehen, Futter düngen und ernten, Traktoren und Ställe pflegen können. Und: Lebensmittel bleiben damit immer noch vergleichsweise billig. 1950 gaben die Bundesbürger 44 Prozent ihres Gehalts für Essen aus, heute sind es nur noch 14 Prozent. Die Kunden wissen das längst – und sind im Grunde einverstanden: Fast 90 Prozent der Deutschen finden 10 Cent Aufschlag für den Liter okay – solange das Geld bei Ihnen, dem Bauern, ankommt.

5. Machen Sie „Milch einfach mal anders“ (Fruchtzwerge). Erklären Sie sich unabhängig von den großen Molkereien – vermarkten Sie selber.

Sie reden zu wenig mit beim Preis! Kein Wunder: Ihre Milch und die Ihrer 100.000 Kollegen wird von nur 200 Molkereien verarbeitet. Die Molkereien wiederum fürchten die Einkaufsmacht der wenigen großen Handelsketten – ein Teufelskreis, der alle Marktmacht in wenige Hände legt. Schluss damit!

Machen Sie sich selbstständig – und wie Josef Jacobi. Er ist Biobauer und Chef der Upländer Bauernmolkerei im hessischen Willingen, nördlich von Kassel. Diese Molkerei hat er gemeinsam mit 16 anderen Bauern Mitte der Neunzigerjahre gekauft. Heute beliefern 140 Biobauern der Region die kleine Molkerei. Für sie zahlt sich die Selbsthilfe aus. Die Upländer haben ihre Kunden schon vor Jahren befragt: Seid ihr bereit, den Bauern 5 Cent mehr zu zahlen? 80 Prozent sagten Ja. Seitdem sammelt sie 5 Cent ein – und reicht sie voll an die Bauern weiter.

6. „Das Schönste, was der Milch passieren kann“ (Milram) – machen Sie’s wie die Scheichs, gründen Sie eine Milch-Opec

Brüssel 1984: Die EU kämpft gegen Butterberge und Milchseen. Lange kaufte sie alle Überschüsse vom Markt und legte Lager an. Die Bauern produzierten, was die Euter hergaben. Darum bekam jeder eine Milchmenge, ein Quote, zugewiesen. Das gilt heute noch. Wer mehr produziert, zahlt Strafe. Wer sich vergrößern will, muss Quoten teuer an der Börse kaufen. Das Problem: Dieses System schützt Sie nicht vor Minipreisen.

Die Quote wurde nämlich dank der Lobby für Agrarfabrikanten immer ein bisschen zu hoch angesetzt – damit diese Milch exportieren, dafür Subventionen einstreichen und heimische Bauern auch in anderen Ländern vom Markt verdrängen konnten. 2015 will die EU die Quote nun abschaffen. Sie haben zwei Möglichkeiten: Entweder Sie machen sich schon mal auf steigenden Wettbewerbsdruck gefasst. Oder Sie kämpfen dafür, dass die Quote erhalten und der Marktlage entsprechend angepasst wird, das heißt knapp gehalten wird. Lernen Sie endlich von Scheichs! Gründen Sie eine Opec für Milch. Und schreiben Sie Horst Seehofer (Brief unter www.abl-ev.de/aktionen.htm)! Mit seiner Politik werden Kühe und Bauern nicht glücklich.