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: Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Man muss nicht singen können, um eine legendäre Opernsängerin zu werden. Jedenfalls nicht, wenn man reich genug ist und sich die New Yorker Carnegie Hall für einen Auftritt mieten kann. Dies nämlich tat die amerikanische Millionärin Florence Foster-Jenkins im Jahr 1944. Da war sie schon 76 Jahre alt und das, was man heute einen Kultstar nennt. Ihre Koloraturen waren so schwindelerregend schief, ihr Sinn für Rhythmus so komplett nicht vorhanden, dass es schon wieder als Kunst gelten konnte. Der britische Komponist und Musicalschreiber Stephen Temperley hat diesem ersten Trash-Star aller Zeiten mit seinem Musical „Souvenir“ ein Denkmal gesetzt und mit Desirée Nick, die Florence Foster-Jenkins jetzt am Renaissance Theater spielt, eine ziemlich kongeniale Darstellerin gefunden. Die Inszenierung, die am Samstag Premiere hatte, könnte der Theatersommerhit werden. Sommerlich leicht und ohne allzu große germanistische Umschweife kommt ein Faust-Projekt daher, das das berühmte Drama als Gerichtsshow verhandelt. „Streitsache Faust“ heißt das Stück von Kai Schubert, mit dem dass Theater Sinn & Ton ab heutigem Dienstag an verschiedenen Orten zu sehen ist (www.streitsache-faust.de). Lang ist’s her, dass Handwerk einen goldenen Boden hatte. Immer mehr wird es zur Sache eifriger Baumarktkunden. Diesem Phänomen geht auch der Fachmann für subtile Paradigmenwechsel unter unscheinbaren Alltagsoberflächen, Dirk Cieslak, mit seiner Kompanie Lubrikat in der neuen Produktion „Goldener Boden“ nach: und zwar ab Donnerstag im Ballhaus Ost. In einem ehemaligen Supermarkt in der Wrangelstraße 85 in Kreuzberg schließlich präsentiert die Oper Dynamo West ihr Fassbinder-basiertes Stück „Tropfen auf heiße Steine“, in dem sich Biedermeier gegen leidenschaftliche Hingabe behaupten muss. Oder ist es umgekehrt?

„Souvenir“: Renaissance Theater, bis 17. 9.

„Streitsache Faust“, ab heute

„Goldener Boden“: Ballhaus Ost, ab Do.

„Tropfen auf heiße Steine“: ab Fr.