berliner szenen Endspiel

In der Fahne kiffen

In zwei Stunden soll das Spiel beginnen. Der Krach, der von der Fanmeile kommt, ist groß. Auf der Wiese im Tiergarten sitzen acht Jugendliche in der Sonne und kiffen. Sie sind höchstens zwanzig und in Deutschlandfahnen gehüllt. Die Jungs haben Tyson-Haarschnitte und sehen ein bisschen türkisch aus. Eine Gruppe Jugendlicher im gleichen Alter, genauso gekleidet, gleicher Haarschnitt, nur deutsch, bleibt bei ihnen stehen. Einer fragt: „Kifft ihr?“ Dann ruft er laut und tanzt dabei provozierend herum: „Hey, hey, hey – wer nicht kifft, der ist kein Deutscher; hey, hey, hey – wer nicht kifft, der ist kein Deutscher“.

Einer aus der Gruppe der Sitzenden steht auf und singt, zunächst etwas unsicher, mit. Er hat einen türkischen Akzent. Die beiden Jungs singen und führen einen Kriegstanz auf. Es ist genauso wie in der „Ali G Show“. Die einen Jungs sind bestimmt aus Brandenburg und die anderen aus Kreuzberg. Die Brandenburger ziehen dann weiter.

Die Kreuzberger bleiben noch ein bisschen sitzen. Dann trennt sich die Gruppe. Als die letzten zwei von ihnen weggehen, verliert einer eine Deutschlandfahne. Er blickt sich um und sammelt sie wieder auf. Geht weiter. Dann verliert er sie wieder; guckt, zögert und lässt sie diesmal liegen.

Macht ja nichts. Beide sind ja weiter in Deutschlandfahnen gehüllt und die dritte hatte wohl ein anderer vergessen. Wenig später spielt ein Mann mit seinem kleinen blondgelockten Jungen Fußball. Der Kleine hat den Ball, zieht an seinem Vater vorbei. Der Vater foult ihn aus Spaß oder automatisch. Der Junge fliegt durch die Luft. Dann heult er ein bisschen. Ein bisschen erschrocken über sich selbst, tröstet der Vater seinen Sohn. DETLEF KUHLBRODT