Country gegen Hippies

Schlecht gekleidet, aber bestens gelaunt: Folk-Käuzchen Bonnie „Prince“ Billy spielte im Schillertheater

Will Oldham bringt als Bonnie „Prince“ Billy bringt mit beruhigender Regelmäßigkeit neue Alben auf den Markt und beehrt die Freunde seiner Schwermutsmusik ebenso zuverlässig mit ausverkauften Konzerten. Im vergangenen Jahr spielte er in der Kreuzberger Passionskirche, begleitet nur von sich selbst und einem weiteren Gitarristen. Es handelte sich dabei um eine dem Ort angemessene, sprich sakrale Veranstaltung: Das dem Künstler ergebene Publikum drängelte sich auf Holzbänken und dem kalten Kirchenboden, von der Bühne abgesehen herrschte zwei Stunden absolute Stille – jede umfallende Bierflasche stellte eine massive Störung der Andacht dar.

Am Mittwoch spielte Bonnie „Prince“ Billy nun erneut in Berlin. Diesmal im Schillertheater in Charlottenburg – einem Ort, der nicht gerade als hippe Konzertvenue bekannt ist. Hier passiert seit einiger Zeit nicht viel Pop-Relevantes. Zu Unrecht: In Samtsesseln stellen sich weniger schnell Ermüdungserscheinungen ein, die Akustik ist hervorragend und die Luft immer frisch dank Belüftungsanlage. Was auch an diesem Abend von Bedeutung ist: Die Julihitze drückt mächtig auf Berlin.

Will Oldham tritt wie gewohnt kauzig auf: Der Mangel an Haupthaar wird nach wie vor durch einen ordentlichen Vollbart kompensiert, die Hose hat er wohl jahreszeitenbedingt bis zu den Knien aufgekrempelt, das Hemd klebt trotzdem nach einiger Zeit verschwitzt an Brust und Rücken. Dazu trägt er ein Paar dieser in letzter Zeit unerklärlicherweise in Mode geratenen debilen, sehr klobigen, aber sicherlich wahnsinnig bequemen Gummischuhe in Rot. Eigentlich unverzeihlich, so herumzulaufen, aber man tut diese geschmackliche Entgleisung als liebenswerte Schrulligkeit eines großen, uneitlen Songwriters und Musikers ab.

Auf dieser Tour hat Oldham eine vierköpfige Band dabei, bestehend aus einem Kontrabassisten, einem Westerngitarristen und einer Geigerin, die singt wie June Carter. Außerdem einem barfüßigen Perkussionisten mit Bauch und grauem Zopf, der aussieht, wie man sich einen Tantralehrer vorstellt. Die Songs bekommen durch die Besetzung etwas sehr Countrieskes, die Band mäandert sich durch das aktuelle Album „Lie Down in the Light“ und einige andere Knaller aus dem enormen Oldham’schem Oeuvre – im gemessenem Tempo, manchmal geradezu zerdehnt vorgetragen und somit auch irgendwie dem Wetter angepasst.

Der Künstler ist zum Scherzen aufgelegt, er beantwortet unter anderem die Frage, warum Gott Patschuli erfunden hat. Kentucky’s finest ist nämlich durchaus nicht nur die von Düsternis geplagte Heulboje, für die man ihn halten könnte, sondern ein echter Schelm. Darauf kann man bereits kommen, wenn man die Sex-Anspielungen in vielen Songs kennt oder seine großartige Version der Selbstüberschätzungshymne „The Greatest“. Die ist im Original von R’n’B-Schmierling R. Kelly und kommt auch hier zur Aufführung. Dazu gestikuliert Oldham und macht allerlei lustige Gesichter. Ach so: Patschuli gibt es, damit auch Blinde einen Grund haben, Hippies zu hassen. ANNE WAAK