„Sehr faul und feige“

Bei den Dortmunder Schachtagen sorgt der Hamburger Außenseiter Jan Gustafsson als Zweitplatzierter für Furore

BADEN-BADEN taz ■ Was für Roger Federer Wimbledon bedeutete, waren für Wladimir Kramnik die Dortmunder Schachtage. Bei seinem Lieblingsturnier dominierte der russische Ex-Weltmeister fast immer nach Belieben. Doch diesmal bedurfte es keines Asses wie Rafael Nadal, um Kramnik nach acht Erfolgen vom Thron zu stoßen. Dem Ungarn Peter Leko genügten zwei Siege und fünf Remis, um mit 4,5:2,5 Punkten seine zwei Jahre währende internationale Durststrecke zu beenden.

Doch damit nicht genug: Kramnik musste sich von zwei deutschen Außenseitern düpieren lassen, die den Weltranglistenzweiten mit 3:4 Punkten auf den vorletzten Platz im Achterfeld verwiesen. Arkadij Naiditsch hatte in Runde vier den Topfavoriten geschlagen. Die deutsche Nummer eins landete mit achtbaren 3,5:3,5 Zählern auf Rang sechs. Überraschend geteilter Zweiter wurde ein Spieler, der sich selbst als „sehr faul und feige“ sowie als „manchmal lustlos“ charakterisiert – und laut eigener Aussage „noch nie Schachprofi war“: Jan Gustafsson unterlag nur Leko, der den Hamburger so am Ende noch überflügelte. Mit einem Remis am Sonntagabend gegen Jan Nepomniachtschi verteidigte der Weltranglisten-123. aber Silber. Wie der neue 17-jährige russische Komet schloss Gustafsson das Turnier mit 4:3 Punkten ab.

Die Fans von Kramnik reklamierten, der 33-Jährige habe bewusst auf neue Eröffnungs-Ideen verzichtet. Die benötige er für die WM-Revanche im Oktober in Bonn gegen seinen Nachfolger Viswanathan Anand (Indien). Doch Kramnik verpatzte seine Partien erst in der Endphase leichtfertig. Und dass man auch durchaus ohne Eröffnungspfeile im Köcher bestehen kann, bewies Gustafsson. „Ich wollte mich einen Monat lang auf das Turnier vorbereiten, tat aber nicht viel“, gestand der Bundesligaspieler des Hamburger SK. Der 29-Jährige beschäftigt sich lieber mit Poker.

Fragen dazu „nerven“ ihn jedoch. „Es läuft ganz gut, aber dazu möchte ich eigentlich nichts mehr sagen. Wäre ich Versicherungsvertreter, würde auch nicht jeder über meinen Nebenjob reden“, unkte Gustafsson vor kurzem im Interview mit der Zeitschrift Schach. Dass ihm Leko noch den Turniersieg abluchste, trägt die deutsche Nummer drei mit Fassung. Schon vor seiner einzigen Niederlage hatte sich Gustafssons „Traum“ erfüllt, die Hälfte der sieben Punkte zu erobern – ganz zu schweigen davon, in Dortmund vor Kramnik zu landen. HARTMUT METZ